358 Die Jugend der Königin Luise; Friedr. Wilhelm's erste Begegnung mit Luise.
jungen Prinzessinnen eine Schweizerin, Fräulein Gelienx, berufen wurde,
welcher Luise ihr ganzes Leben hindurch Dank wußte, und welche auch Fried¬
rich Wilhelm nach dem Tode seiner Gemahlin noch durch das rührendste
Andenken ehrte. Nur über Eines pflegte Luise sich zu beklagen, nämlich daß
ihr Unterricht ein mehr französischer als ein deutscher gewesen, doch traf dieser
Vorwurf weniger die Lehrerin, als den herrschenden Geist jener Zeit. Um
die schmerzlich gefühlte Lücke auszufüllen, ließ es die Fürstin später, noch als
Königin und Mutter, an Fleiß und Eifer nicht fehlen, und sie erkor dabei
vorzugsweise die Geschichte zu ihrer Lehrmeisterin. Vor Allem aber hat es die
Fürstin immer mit innigem Dankgefühle anerkannt, daß ihre Erziehung durch¬
weg einen Zug nach dem Höheren hatte, der sie schon frühzeitig zur Erkenntniß
des Ewigen in dem Irdischen brachte. Im Einklänge damit fühlte sie von
Kindheit an den göttlichen Beruf in sich, wohlzuthun. An der Hand ihrer
Erzieherin pilgerte sie aus dem Palaste in die Hütten der Armuth und das
holde Fürstenkind erschien den Dürftigen und Leidenden als ein Engel der
Milde. Daher die Leutseligkeit, welche der Königin auf dem Throne alle
Herzen gewann. Fern von allem Zwange unfreiwilliger Herablassung, schien
ihr solche zur anderen Natur geworden, ohne die eingeborene Majestät ihres
hohen Wesens irgend zu verdunkeln.
Als junges Mädchen machte Luise mit ihrer Großmutter und den Schwe¬
stern Ausflüge nach Straßburg, nach Thüringen, nach Frankfurt. Im Früh¬
jahre 1793 fügte es sich, daß sie eben da zum ersten Male mit dem Kron¬
prinzen von Preußen zusammen traf. In Folge einer Einladung des Land¬
grafen von Hessen kam die Großmutter mit den Prinzessinnen im März nach
Frankfurt, stellte dort ihre Enkelinnen dem König Friedrich Wilhelm II. vor
und wollte noch denselben Abend wieder abreisen; der König aber lud sie ein,
nach dem Schauspiele bei ihm zu Abend zu speisen. So blieb Luise, und an
diesem Abende war es, wo ihr erster Blick den Kronprinzen dauernd fesselte.
Selbst lange nachdem der Tod schon das dort geschlossene Band gelöst, dachte
Friedrich Wilhelm III. besonders gern des ersten merkwürdigen und ihm im¬
mer neu und frisch gebliebenen Eindruckes, welchen die Erkorene auf ihn ge¬
macht, als er sie zum ersten Male in Frankfurt gesehen; der Augenblick der
neuen Bekanntschaft sei auch zugleich der Moment der wechselseitigen Zu¬
neigung gewesen.
Aber nicht blos die jugendliche Schönheit und der lebensfrische Zauber
der Anmuth, welcher Luisen's Wesen umschwebte, nicht der erste Eindruck
blos war für das innige Lebensband entscheidend, sondern die Macht dieses
ersten Eindruckes steigerte sich noch, als Friedrich Wilhelm bei näherer Be¬
kanntschaft inne wurde, daß ihr holdes Aeußere nur der Abglanz ihrer Seele
war, deren angeborener Adel und Schwung sich in jedem Blicke, in jedem
ihrer Worte aussprach.
Wie Friedrich Wilhelm zu Luise, so fühlte sich sein Bruder, Prinz Ludwig
zu deren jüngerer Schwester hingezogen, und schon am 24. April 1793 feierten
sie zu Darmstadt das Fest einer Doppel-Verlobung. Während des bald dar¬
auf folgenden Feldzuges besuchten die fürstlichen Bräute ihre Verlobten öfter
im Feldlager und Göthe feiert in seinen Berichten aus jenen Tagen diese
„himmlischen Erscheinnngen."