368 Kaiser Alexander in Potsdam; der Vertrag daselbst; Haugwitz's Sendung an Napoleoru
Sohn, daß an dem Tage, wo Du Gebrauch machst von diesem Rocke, Dem
einziger Gedanke der sein wird, Deine Brüder zu rächen."
In derselben Zeit war es auch, wo der Kaiser Alexander von Rußland
nach Berlin kam, um den König zu einem entscheidenden Schritte zu drängen
(October 1805). Das Königspaar empfing ihn mit wehmüthiger Rührung:
in die Freude des Wiedersehens und in die Erinnerung der glücklichen Tage
von Memel mischte sich das Gefühl eines nahenden schweren Verhängnisses.
In Potsdam fanden die vertraulichen Berathungen statt, in welchen Alexan¬
der vor der Gefahr einer weiteren Neutralität Preußens warnte. Preußen
könne sich nicht mehr von der Sache Deutschlands, von der Sache Europa's
trennen, es dürfe nicht durch seine Unthätigkeit dem gemeinsamen Feinde den
Sieg erleichtern; noch werde es zwar von demselben geschont, aber seien erst
Oesterreich und Rußland besiegt, so werde es allein der Uebermacht eines
hochmüthigen Eroberers gegenüberstehen. In Luisen's hochherziger Brust
fanden diese Vorstellungen den lebhaftesten Anklang, sie wurden noch unter¬
stützt durch den Erzherzog Anton von Oesterreich, welcher im Aufträge des
Kaisers Franz gleichfalls nach Potsdam gekommen war. Auch Friedrich Wil¬
helm ließ sich endlich zu einer Parteinahme bestimmen, aber der erneuerte
Einfluß der Haugwitz'scheu Partei brachte es dahin, daß in einem Vertrage
(vom 3. November 1805) zunächst nur beschlossen wurde, daß Preußen eine
bewaffnete Vermittelung zwischen den kriegführenden Mächten über¬
nehme; habe dieselbe bis zum 15. December nicht zum Ziele geführt, so
sollte dann auch Preußen den Krieg an Frankreich erklären.
Am Morgen nach Abschluß dieses Vertrages gedachte der Kaiser abzu¬
reisen. Bei der Abendtafel äußerte er sein Bedauern, Potsdam zu verlassen,
ohne den Manen Friedrich's des Großen seine Ehrfurcht bezeigt zu haben.
„Dazu ist noch Zeit," fagte der König, unb ließ alle Anstalten treffen, um
seinen hohen Gast noch in ber Nacht an Friedrich's Grab zu begleiten. Nach
elf Uhr erhoben sich Alexander, Friebnch Wilhelm unb Luise, um Mitternacht
begaben sie sich in die von Wachskerzen erleuchtete Fürstengruft. Ueberwäl«
tigt von seinen Empfinbnngen, neigt Alexanber seine Lippen auf Friebrich's
L>arg, küßt ihn, reicht über bem Sarge Friedrich Wilhelm unb ber Königin
die Hand, gelobt ihm und seinem königlichen Hause ewige Freundschaft und
schwört zugleich mit ihm den Eid der Befreiung Deutschlands.
Dieses Gelübde in so ernster Stunde, an so geweihter Stätte gethan, die
beiben Fürsten haben es erfüllt, wenn auch später, als sie wähnten, wenn auch
erst nach bem Tobe ber eblen Fürstin, welche ben Bnnb mit ihren Thränen
weihete, welche aber balb im Schmerze über die Demüthigung bes Vater-
lanbes vorzeitig bahrn welken sollte.
Austerlitz; neuer Vertrag mit Frankreich. Geringschätzige Be¬
handlung Preußens. Die Friebensvermittelung, welche Preußen burch ben
Potsbamer Vertrag übernommen hatte, wurde leiber vom Könige nicht ben
besten Händen anvertraut. Der feit einiger Zeit wieder thätige Graf von
Haugwitz wurde damit beauftragt. Friedrich Wilhelm mochte ihn dazu
auserfeheu haben, weil er ihn theils durch seine Kenntnisse und Fähigkeiten,
theils und besonders durch seine günstigen Beziehungen zum kaiserlichen Ca¬
binet für vorzüglich geeignet hielt, aber nur allzubald sollte es sich zeigen, daß