Full text: Geschichte des preußischen Vaterlandes

Tie goldene Bulle. 35 
soll ein ehemaliger Knappe des Markgrafen Waldemar, ein Müller Jacob 
Rehbock gewesen sein, dessen Aehnlichkeit mit Waldemar in Gestalt und Aus¬ 
sehen den beabsichtigteu Betrug sehr erleichterte, um so mehr, als er im lang¬ 
jährigen Dienste des Markgrafen auch dessen Eigenthümlichkeiten und Ge¬ 
wohnheiten in Gebehrden und Sprache hatte beobachten können. Hieraus 
läßt sich der Erfolg des Gaukelspiels wohl erklären, besonders da sich so viele 
große weltliche und geistliche Herren verbunden hatten, um dem leichtgläubigen 
Volk die Aechtheit des auferstandenen Waldemar zu verbürgen. Wie sollte man 
dagegen in Wahrheit annehmen, daß der lebensfrische, kräftige Markgraf Wal¬ 
demar wegen des angeblichen Gewissensskrupels sich zu einem stillen Buß- und 
Einsiedlerleben entschlossen hätte: er hätte ja ohne Schwierigkeit bei dem 
Papst Beruhigung und Verzeihung für feine Skrupel erhalten und daher nicht 
zu einem Mittel seine Zuflucht nehmen dürfen, welches seinem Charakter so 
ganz zuwider war. Eben so wenig aber hätte sich wohl der ächte Waldemar 
nach seiner Rückkehr so verhalten, wie es der falsche that. Jener hätte die 
Treue und den Gehorsam der Städte als sein Recht gefordert, nicht mit 
allerlei übertriebenen Gunstbezeuguugeu und leichtfertigen Länderabtretungen 
erbettelt. Vou des alten Waldemar hohem Sinn und Geist war in dem neuen 
keine Spur zu entdecken, und deshalb besonders ist an seine Aechtheit nicht zu 
glauben. Seine Geschichte aber beweist, wie gesegnet das Andenken eines 
trefflichen Regenten ist. 
Karl IV. und die letzten baierschen Markgrafen. Ludwig der 
Römer und Otto, welchen die Geschichte mit Recht den Finner oder den 
Faulen genannt hat (1352—1373), waren Brandenburgs letzte Markgrafen 
ans dem baierschen Hanse der Wittelsbacher; schon hatte Karl IV., der 
schlaue und ehrgeizige Kaiser, aus dem böhmisch luxemburgischen Hanse, sein 
Auge auf die Marken, als eine wünschenswerthe Erwerbung für seine Haus¬ 
macht, geworfen. Der innere Zwist unter den baierschen Herzogen gab ihm 
die beste Gelegenheit, der Verwirklichung seiner Absichten näher zu treten. 
Ans dem Reichstage zu Nürnberg (1356) hatte Karl kurz vorher das 
berühmte Grundgesetz, die goldene Bulle, gegeben, durch welches zuerst 
die Stellung der deutschen Reichsfürsten geregelt wurde, um den bis dahin 
so häufigen Zerwürfnissen bei den Kaiserwahlen vorzubeugen. Die goldene 
Bulle (so genannt von der Kapsel, in welcher sich das angehängte Siegel be¬ 
fand) setzte fest, daß nur sieben Wahlfürsten des Reichs, nämlich die Erz¬ 
bischöfe von Mainz, Trier und Köln, der Pfalzgraf bei Rhein, der Herzog 
von Sachsen, der König von Böhmen und der Markgraf von Brandenburg 
an der Wahl des Reichsoberhauptes Theil nehmen durften. Diesen Kur¬ 
fürsten wurde zugleich die höchste Gerichtsbarkeit in ihren Ländern, ohne 
Dazwischenkamst des Kaisers, das unbeschränkte Recht über die Bergwerke, 
das Münzrecht u. s. w., sowie der Rang vor allen übrigen Fürsten beigelegt. 
In öffentlichen Urkunden wurde von jetzt an der brandenburgifche Reichsfürst 
fast immer der Kurfürst vou Brandenburg genannt, im Volke aber 
blieb die Benennung als Markgraf noch lange die gebräuchliche. 
Die Herzöge vou Baiern fanden sich durch die goldeue Bulle in vieler 
Beziehung benachtheiligt und zurückgesetzt und erhoben sich gegen Karl IV.; 
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