562 Abtretung VenetienS.
machte, um einem weiteren Vordringen der Preußen durch Verhandlungen
Einhalt zu tbun. Gleich am Tage nach der Schlacht erschien der General
von Gablenz im preußischen Hauptquartiere, um Namens des Oberfeld¬
herrn Benedek einen Waffenstillstand zu erbitten. Da es jedoch hierbei
nur darauf abgesehen sein konnte, dem österreichischen Heere Zeit zu ver¬
schaffen, seine zerstreuten und erschütterten Kräfte wieder zu sammeln, so
wurde der Antrag abgelehnt. Inzwischen hatte die österreichische Regierung
bereits einen Schritt gethan, welcher ebenso sehr die verzweifelte Lage des
Kaiserstaates, wie den hartnäckigen Widerwillen gegen eine Verständigung mit
Preußen bekundete. Um die Truppen, welche bisher in Venetien zur Ver¬
theidigung gegen Italien standen, dort herausziehen und gegen Preußen ver¬
wenden zu können, entschloß sich der Kaiser, Venetien preiszugeben. Wenige
Monate zuvor hatte Oesterreich auf die von den europäischen Mächten beab¬
sichtigten Verhandlungen über Venetien nicht eingehen wollen, weil, wie da¬
mals gesagt wurde, die Abtretung dieser Provinz einem Selbstmorde gleich
käme. Lieber hatte sich die österreichische Regierung entschlossen, den Kampf
gleichzeitig gegen Preußen und Italien aufzunehmen. Inzwischen war der
Krieg Oesterreichs gegen Italien mit viel glücklicherem Erfolge geführt wor¬
den, als der gegen Preußen. Der Erzherzog Albrecht hatte den Italienern
bei Custozza am 22. Juni eine erhebliche Niederlage beigebracht, und die
italienische Armee war außer Stande, die Operationen gegen Oesterreich fort¬
zusetzen. Nichtsdestoweniger entschloß sich der Kaiser in der Nacht unmit¬
telbar nach der Niederlage von Königgrätz, aus Venetien zu verzichten, zwar
nicht unmittelbar zu Gunsten Italiens, aber zu Händen des Kaisers der Fran¬
zosen, welcher dafür den Frieden zwischen Oesterreich und Italien vermitteln
sollte. Diese Abtretung bewies, in welche trostlose Lage der Kaiser sich durch
die Siege Preußens versetzt sah. Er bedurfte der in Italien stehenden Truppen,
um seine Nordarmee wieder zu kräftigen und um Wien vor dem Anmarsche der
Preußen zu schützen; er hoffte ferner, durch jenes Anerbieten die Verbindung
zwischen Preußen und Italien zu zerreißen, vor Allem aber war es darauf
abgesehen, den Kaiser Napoleon, der sich bisher neutral gehalten hatte, in das
Interesse Oesterreichs zu ziehen. Aber alle diese Berechnungen verzweifelter
List scheiterten an der Mäßigung Napoleons, an der Bundestreue des Königs
von Italien»und an der Festigkeit des Königs von Preußen. Der Kaiser Na¬
poleon nahm zwar die Abtretung Venetiens an, aber mit dem Vorbehalte,
nicht nur den Frieden zwischen Italien und Oesterreich, sondern auch den mit
Preußen zu vermitteln. Der König Victor Emmanuel von Italien, welcher
durch den Vertrag mit Preußen verhindert war, einseitig Frieden mit Oester¬
reich zu schließen, und welcher ebenso wie das italienische Volk erkannte, daß
die Abtretung Venetiens nur Preußen zu danken sei, wies eine Zurnuthung zum
Treubruche entschieden zurück, und kündigte seinen Entschluß an, die Waffen
nicht eher niederzulegen, bis auch Preußen volle Befriedigung zu Theil ge¬
worden sei. Der König von Preußen endlich erklärte sich Frankreich gegen¬
über bereit, eine Friedensvermittelung anzunehmen, aber vom Waffenstillstände
dürfe nicht eher die Rede fein, bis Oesterreich Sicherheit gegeben, daß ein
Friede auf annehmbaren Grundlagen zu Stande kommen könne. Bis dahin
könne Preußen sich in seinem Vorgehen nicht aufhalten lassen. Napoleon