592 Die Luxemburgische Frage.
zu denken sei, versuchte er wiederum Frankreich Durch anderweitige Ver¬
größerung eine Genugthuung zu verschaffen. Schon in früheren Jahren
hatte man von französischer Seite versucht, Preußen für Pläne beiderseitiger
Vergrößerung zu gewinnen, wobei für Frankreich (Falls deutsches Gebiet
nicht zu erreichen war) bald Luxemburg, bald Belgien ins Auge gefaßt
wurde. Die preußische Regierung hatte sich jedoch niemals dazu verstanden,
auf derartige Vorschläge und Anträge näher einzugehen.
Nachdem nun auch jetzt wieder die Hoffnung für Frankreich geschwunden
war, auf deutscher Seite einen Ausgleich und Ersatz für die durch Preußens
Vergrößerung vermeintlich eingetretene Störung des europäischen Gleich¬
gewichts zu finden, gedachte Kaiser Napoleon sich einen solchen Ersatz selbst¬
ständig durch die Erwerbung Luxemburgs zu verschaffen.
Das Großherzogthum Luxemburg, welches der König von Holland
als einen besonderen Staat beherrschte, hatte bis 1866 zum Deutschen
Bunde gehört und in Folge dessen eine preußische Besatzung in der Festung
Luxemburg als Bundesfestung gehabt.
Nach der Auflösung des früheren Deutschen Bundes konnte der König
von Holland nicht genöthigt werden, für Luxemburg dem neu errichteten
Norddeutschen Bunde beizutreten. Preußen stellte eine solche Forderung
nicht, weil es, wie Graf Bismarck erklärte, den Souveränen weder Ge¬
walt, noch Zwang anthun, noch auch den Zunder, welcher den europäischen
Frieden bedrohte, vermehren wollte. Die preußische Regierung nahm
lediglich eine freie Verständigung über die künftige Stellung Luxemburgs,
namentlich über die frühere Bundesfestung Luxemburg in Aussicht. Das
preußische Besatzungsrecht in derselben beruhte zunächst eben auf dem ge¬
lösten Verhältnisse Luxemburgs zum Buude, die darüber abgeschlossenen
Verträge bestimmten jedoch, daß dabei „das Interesse der vereinigten Ver¬
theidigung Preußens und Luxemburgs" maßgebend sein sollte. Als daher
von Seite des Königs von Holland und der Bevölkerung Luxemburgs der
Wunsch hervortrat, den bisherigen Vertrag aufzugeben, mußte die preußische
Regierung darauf Bedacht nehmen, zur Sicherung der deutschen Grenzen,
insoweit dieselbe bis dahin durch die Feste Luxemburg gewährt war, einen
entsprechenden Ersatz zu verlangen. Bevor es jedoch zu bestimmten Ver¬
handlungen hierüber gekommen war, gelangte die Angelegenheit durch die
Absichten Frankreichs auf Luxemburg iu eine veränderte Lage.
Zwischen dem Kaiser Napoleon und dem Könige von Holland hatten
vertrauliche Verhandlungen über die Abtretung des Großherzog¬
thums Luxemburg an Frankreich gegen eine Geldentschädigung
stattgefunden. Die preußische Regierung trat diesem Vorhaben, gestützt
auf die einmüthige Stimme Deutschlands, entgegen, entschlossen, unter keinen
Umständen zuzugeben, daß die bis dahin zur Vertheidigung Deutschlands ein¬
gerichtete Festung künftighin ein Mittel zur Bedrohung Deutschlands wer¬
den könnte.
Um die Angelegenheit wo möglich auf friedlichem Wege beizulegen,
wandte Preußen sich zunächst an die europäischen Mächte, welche den früheren
Vertrag über Luxemburg mit unterzeichnet hatten. Demzufolge kam es zu
gemeinsamen Conferenzen in London mit dem ausgesprochenen Zwecke,