Full text: Geschichte des preußischen Vaterlandes

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Der geistliche Kampf (der sogenannte Culturkampf). 
Der geistliche Kampf (der sogenannte Culturkampf). 
Die Jahre nach dem französischen Kriege waren besonders durch den 
geistlichen Kampf erfüllt. Derselbe war durch das neue Concil im 
Vatican zu Rom und die dort festgestellten Grundsätze über die Autorität 
in der katholischen Kirche hervorgerufen worden. Bald als dasselbe (für 
das Jahr 1869) berufen war, und zur Aufgabe erhielt, einerseits die 
ultramontanen Lehren des römischen sogenannten Syllabus, andrerseits 
die Unfehlbarkeit des Papstes zu verkünden, erkannte die preußische Re¬ 
gierung die Gefahren, welche damit dem Verhältniß zwischen den Fürsten 
und Völkern und dem römischen Stuhle drohten und die bedenklichen 
Folgen, welche dadurch für die Beziehungen zwischen Staat und Kirche 
entstehen mußten und sie verfehlte nicht, dies in Rom geltend zu machen, 
sie lehnte es jedoch ab, sich bei den Verhandlungen selbst zu betheiligen, 
indem sie davon ausging, daß es für Preußen verfassungsmäßig und 
politisch richtig sei, der römischen Kirche in inneren kirchlichen Dingen 
volle Freiheit zu lassen, jeden Uebergriff auf das staatliche Gebiet freilich 
entschieden abzuwehren, wozu nötigenfalls in der parlamentarischen Ge¬ 
setzgebung ausreichende Waffen vorhanden seien. Die preußische Regie¬ 
rung glaubte sich um so mehr beruhigen zu können, als einerseits selbst 
katholische Staaten wie Frankreich, entschieden auf das Gefahrvolle der 
festzustellenden Lehren, gegenüber den bis dahin geltenden Grundsätzen 
aufmerksam machten, als andrerseits die deutschen Bischöfe in ihrer Ge¬ 
sammtheit Bedenken in Bezug auf die von dem Concil zu proclamireuden 
neuen Lehren hegten und die Beforgniß zu beschwichtigen suchten, das 
allgemeine Concil werde in Unbedachtsamkeit und Uebereiluug Beschlüsse 
fassen, welche ohne Noth mit den bestehenden Verhältnissen und den Be¬ 
dürfnissen der Gegenwart sich in Widerspruch setzen, oder es werde nach 
Weise schwärmerischer Menschen etwa Anschauungen, Sitten und Einrich¬ 
tungen vergangener Zeiten in die Gegenwart verpflanzen wollen. 
Die Regierung beschränkte sich deshalb darauf feierlichst zu erklären: 
„Die Staatsregierung hegt das Vertrauen, daß die preußischen 
Bischöfe auch außerhalb des Heimathlandes der Rechte und Pflichten sich 
bewußt bleiben, welche ihnen als Bürgern des Reiches und als Unter¬ 
thanen Sr. Maj. des Königs zukommen. Sie ist aufrichtig gewillt, den 
bestehenden Rechts- und Friedenszustand innerhalb des Landes aufrecht 
zu erhalten. Sie wird aber darüber wachen, daß nicht Störungen herbei¬ 
geführt werden, und denselben, wenn nöthig, entgegentreten, und ist sich 
in diesem Punkte, sofern es sich nicht um die Abwehr von Uebergriffen 
auf das staatliche Rechtsgebiet handeln wird, der Uebereinstimmung mit 
allen christlichen Regierungen bewußt." 
Den Bischöfen aber wurde angedeutet, daß tief eingreifende Aende¬ 
rungen in dem Organismus der katholischen Kirche, wie sie durch die ab¬ 
solutistischen Tendenzen der Curialpartei angestrebt werden, allerdings auch 
nicht ohne Einfluß auf die Beziehungen der Kirche zum Staat und damit 
auf ihre eigene Stellung der Regierung gegenüber bleiben würden. Diese
	        
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