sehen konnte, bemerkte sie, wie ihr Rabe sich auf den Schultern
ihres Bruders wiegte, mit den Flügeln schlug, wenn er ab¬
rutschte und seinen Sitj immer wieder gewann.
2.
Dieser Rabe war ihr Liebling. Einst hatte ein heftiger
Sturm ein Rabennest von dem Turme berabgeroorfen, in dem
einige Vögel, die beinabe flügge waren, sich befanden. Bis
auf einen waren sie durch den Sturz umgekommen. Diesen
einen aber batte Williswinde mitleidig an sich genommen und
aufgezogen. So war er ibr Liebling geworden, war ein
zabmes und kluges Tier und batte eine ungemeine flrchäng-
lichkeit für feine Herrin. Nie ward er eingesperrt; frei flog er
umber, oft weit fort in den tiefen Wald binein; aber immer
kebrte er wieder zu seiner Herrin zurück. So auch jetzt. Dach
zwei Stunden kam das treue Tier und trug um seinen hals
ein grünes Band, das der Ritter Ottmar ibm umgeknüpft
batte, als er ibn entlieh.
3.
Still und einförmig zerflossen jetzt die Tage auf Stolzeneck.
kein fröhlicher Jagdzug kam mebr durch das Burgtor, keine
Besuche nachbarlicher Ritter zogen berein und brachten fröh¬
liches Leben in die einsamen Mauern. Denn rings umber
aus dem ganzen Gaue waren die Ritter dem Cebensberrn
gefolgt und fortgezogen zu der ritterlichen febde. Einsam
standen die Burgen und Schlösser der Umgegend wie Stolzeneck.
Der Rabe aber flog täglich fort der Gegend zu, wo die Ritter
hingezogen waren und kebrte oft spät am Rbend zurück.
K ay ser, Sagen.
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