Full text: Erzählungen aus der Weltgeschichte

Dem Cyrus kam dieser Rath sehr erwünscht. Er berief das Volk der Perser 
an einem bestimmten Tage zu sich, indem er ihnen sagen ließ, ein jeder 
möchte eine Sichel mitbringen. Die Perser kamen, und nun befahl er ihnen, 
eine Strecke Landes von Dornen zu reinigen. Als diese saure Arbeit 
vollendet war, bestellte er sie am andern Tage wieder. Diesmal wurden sie 
zu Tischen geführt, die mit köstlicher Speise und Wein besetzt waren. Auf 
die Frage des Cyrus, welcher Tag ihnen am besten gefallen habe, antworteten 
sie: „Der heutige Tag; denn gestern waren wir Sklaven, heute aber sind 
wir Herren." „Solche Herren," fuhr Cyrus fort, „füllt ihr immer sein, 
wenn ihr mir folgt und das Joch der Meder abwerft." 
Die Perser machten Cyrus darauf zu ihrem Könige und sagten sich von 
der Herrschaft der Meder los. Als Astyages das erfuhr, schickte er Harpagus 
mit einem Heere gegen die Perser. Der schwergeprüfte Mann hatte mcht 
vergessen, was Astyages an seinem Sohne verübt hatte, und gieng aus 
Rache mit allen Soldaten zu den Persern über. Astyages ließ nun alle 
Traumdeuter kreuzigen und zog dann an der Spitze seines Volkes selbst 
gegen die Perser. Bei P as arg äd ä kam es (558) zur Schlacht, in welcher 
das ganze Heer der Meter geschlagen und der König gefangen genommen 
wurde. Cyrus aber behandelte den Großvater mit kindlicher Liebe und 
behielt ihn bis zu dessen Tode bei sich. 
5. Cyrus dehnte die Grenzen seines Reiches immer weiter aus und, 
.zwang die unterworfenen Völker, sein Heer zu verstärken. Ganz Asten bebte 
vor dem gewaltigen Kriegshelden; nur Krösus, der reiche König von 
Lydien, wollte sich nicht unterwerfen. Siegesgewiß zog er gegen Cyrus; 
denn das Orakel zu Delphi hatte gesagt, Krösus würde ein großes Reich 
zerstören, wenn er über den Halys gienge. Die erste Schlacht blieb 
unentschieden, die zweite dagegen siel unglücklich für Krösus aus. Er wurde 
geschlagen, gefangen genommen und zum Feuertode verurtheilt. Als er auf 
dem Scheiterhaufen stand, dachte er, vielleicht zum ersten Male, wieder an 
die Worte des weisen Solon und rief: „Solon! Solon!" Als Cyrus die 
Ursache dieses Ausrufes erfuhr, schenkte er ihm das Leben und behielt ihn 
als Freund bei sich. 
6. Alsdann zog Cyrus gegen Babylon. Die Babylonier hielten 
sich hinter ihren festen Mauern für sicher. In einer finstern Nacht ließ Cyrus 
aber den Euphrat ableiten, und feine Soldaten drangen nun durch den 
seichten Strom in die Stadt und überfielen die Einwohner, die ganz 
unbesorgt ein großes Fest feierten. So wurde Cyrus in Liner Nacht Herr 
dieses großen Reiches. Den Juden, die einst von Nebnkadnezar hierher 
geführt waren, erlaubte er die Rückkehr nach Jerusalem und gab ihnen die 
geraubten Schätze wieder zurück. 
Nachdem so fast ganz Asien Cyrus Unterthan war, unternahm er noch 
einen Kriegszug gegen die Massageten, ein kräftiges Reitervolk am 
kaspischen Meere. Die Königin dieses Volkes, Tomyris, bot Cyrus die 
Hand zum Frieder; doch der letztere wollte nichts von Frieden wissen. 
Anfangs hatte er auch Glück; als aber das ganze Volk gegen ihn aufstand,
	        
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