Full text: Zwölf denkwürdige Schlachten der preußischen Armee

— 20 — 
V. 
3erta und Auerstädt. 
(14. Oktober 1806.) 
1. Zustand der Preußischen Armee bei Ausbruch des Krieges. Trotz 
der feindseligen Haltung Napoleons war Friedrich Wilhelm III. bemüht 
gewesen, seinem Lande den Frieden zu erhalten. Erst als der König 
mit Bestimmtheit erfuhr, daß Napoleon das 1805 an Preußen gegebene 
Hannover den Engländern wieder angeboten habe, erklärte er (am 
9. Oktober 1806) den Krieg an Frankreich. Es war vorauszusehen, 
daß dieser Krieg einen unglücklichen Ausgang nehmen würde. Ganz 
abgesehen davon, daß Napoleon und seine Verbündeten, die Rheinbund¬ 
fürsten, eine weit größere Macht ins Feld stellen konnten als Preußen, 
war auch die preußische Armee in ihrem damaligen Zustande in keiner 
Weise der kriegsgeübten und gut geführten französischen Armee gewachsen. 
Die Truppen waren zwar nicht schlecht; der gemeine Soldat war vorzüglich 
im Waffenhandwerk geübt und an Gehorsam gewöhnt, mit Selbstbewußtsein 
und kriegerischem Geiste erfüllt; ebenso tüchtig waren die meisten Offiziere, 
von denen viele noch unter Friedrich dem Großen mit Auszeichnung gedient 
hatten, viele (Scharnhorst, Gueiseuau, Grolmann, Boyen, Clansewitz 
u. a.) ihre Tüchtigkeit 1813—15 glänzend bewiesen haben. Aber es 
gab unter den gemeinen Soldaten bei zwanzigjähriger Dienstzeit viele, 
welche nicht mehr felddienstfähig waren. Auch von den Offizieren, 
namentlich den hohem, waren viele zu alt, um den Anstrengungen eines 
Feldzuges gewachsen zu sein. Die meisten Generale zählten über 70, viele 
Stabsoffiziere über 60 Jahre. Die jüngeren Offiziere, welche nicht mehr 
unter der strengen Zucht des Großen Friedrich herangebildet worden waren, 
hatten vielfach in Ausschweifungen und übermütigen Streichen, sowie in 
der Eintönigkeit eines geistlosen Friedensdienstes die rechte Tüchtigkeit 
verloren. Dieser in einem Teile des Offizierstandes herrschende Geist, 
sowie der Umstand, daß die Hälfte der Armee aus geworbenen Aus¬ 
ländern bestand und auch der einheimische Soldat durch 20 lange Dienst¬ 
jahre seinen heimatlichen Verhältnissen entfremdet wurde, hatte einen 
gewissen Gegensatz zwischen Heer und Volk geschaffen, der so weit ging, 
daß man in der Bürgerschaft hier und da sogar Freude über die er¬ 
littenen Niederlagen äußerte. 
Zu den vorgenannten Übelständen kam eine sehr mangelhafte Aus¬ 
rüstung der Soldaten. Die Uniformen waren zu eng und dürftig; nicht ein-
	        
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