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Städtefreiheit, reicher und höher gesittet als die dürftigen Kolonieen
des Ostens, unschätzbare Außenposten an Deutschlands schwächster
Grenze. In Wien und Madrid ward es als eine schwere Nieder¬
lage empfunden, daß eine neue evangelische Macht sich festsetzte dort
ani Niederrheine, wo Spanier und Niederländer um Sein oder
Nichtsein des Protestantisinns kämpften, dicht vor den Thoren Kölns,
der Hochburg des römischen Wesens im Reiche. Der junge Staat
umschloß aus seinen fünfzehnhundert Geviertmeilen bereits fast alle
die kirchlichen, ständischen, landschaftlichen Gegensätze, welche das
heilige Reich mit lautem Hader erfüllten; mit gespreizten Beinen
gleich dem Koloß von Rhodus stand er über den deutschen Laudeu
und stemmte seine Füße auf die bedrohten Marken am Rhein und
Memelstrom.
Eine Macht in solcher Lage konnte nicht mehr in dem engen
Gesichtskreise deutscher Territorialpolitik verharren: sie mußte ver¬
suchen, ihre weithin zerstreuten Gebiete zu einer haltbaren Masse
abzurunden, sie war gezwungen, für das Reich zn handeln und zu
schlagen; denn jeder Angriff der Fremden auf deutschen Boden
schnitt ihr in ihr eigenes Fleisch. Und dieser Staat, der nur deut¬
sches Land beherrschte, stand doch der Reichsgewalt in glücklicher
Unabhängigkeit gegenüber. Jenen Reichsständen, deren Gebiete
allesamt innerhalb der Reichsgrenzen lagen, war eine selbständige
europäische Politik immerhin erschwert; andere Fürstengeschlechter'
die sich durch die Erwerbung ausländischer Kronen den hemmenden
Fesseln der Reichsversassnng entzogen, gingen dem deutschen Leben
verloren. Auch dem Hause Brandenburg sind oftmals lockende Rufe
aus der Ferne erklungen: die Herrschaft in Schweden, in Polen,
in den Niederlanden, in England schien ihm offen zu stehen. Doch
immer hat bald die Macht der Umstände, bald die verständige
Selbstbeschränknng des Fürstengeschlechts diese gefährlichen Ver¬
suchungen abgewiesen. Eine segensreiche Fügung, die dem ernsten
Sinne nicht als Zufall gelten darf, nötigte die Hohenzollern, in
Deutschland zn bleiben. Sie bedurften der fremden Kronen nicht;
denn sie dankten ihre unabhängige Stellung in der Staatengesell¬
schaft dem Besitze des Herzogtums Preußen, eines kerndeutschen
Bilder deutscher Kultur und Geschichte. 14