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dergleichen Dinge hingleiten, ohne mein Inneres zn berühren.
Auch würde es m t cf) zu viel kosten, bei solcher Ge¬
legenheit den Galanten zu spielen!" Auch in seinen
Memoiren, die er auf Helena niederschrieb, erinnerte sich der Kaiser
jenes Tilsiter Tages und rühmt der Königin nach: „Sie bewegte
sich aus das ungezwungenste in der Unterhaltung, kehrte immer
wieder zn ihrem Gegenstand zurück und das alles mit soviel Takt
nnd Feinheit, daß man sich unmöglich daran stoßen konnte!"
Als die Königin am Nachmittag des 7. Juli noch einmal nach
Tilsit gefahren kam, eröffnete ihr Friedrich Wilhelm III., daß ihr
Opfer nutzlos gewesen sei. Auch an diesem Abend lud Napoleon
das Königspaar zur Tafel zn sich. indes war die Unterhaltung
natürlich gezwungen und einsilbig. Als der Kaiser Luise zum
Wagen geleitete, gestand er ihr offen sein Bedauern, ihre Wünsche
nicht erfüllen zu können. Die Königin erwiderte, sie habe nun den
Helden des Zeitalters kennen gelernt, aber der Eindruck sei ein ge¬
trübter. da seine Großmut nicht seinen andern Eigenschaften eben¬
bürtig sei. ..Ich beklage," sagte Napoleon, „aber es ist einmal so.
Es ist mein böses Schicksal!" „Ich bin grausam getäuscht worden!"
— dies war das Abschiedswort der Königin und es birgt zugleich
die Summe des Erfolges dieser beiden Tage. Am 9. Juli ward
der Tilsiter Friede unterzeichnet.
Es ist müßig, untersuchen zu wollen, ob das Opser, welches
man der Königin zumutete, überhaupt die Möglichkeit eines
Erfolges bei Napoleons Charakter bieten konnte. Daß die Königin
Luise bereit war. es zu bringen, und daß sie es gebracht hat, —
das macht uns die Tilsiter Zusammenkunft zu einer so wehmütigen,
aber auch heiligen Erinnerung. Es war ein Leidenstag für sie,
aber sie hat für ihr Volk gelitten, und wenn je eine Königin, so
hat s i e ihres Volkes Dank geerntet.