Full text: Reallexikon des classischen Alterthums für Gymnasien

Antoninus Liberalis — ’Al7taycoyrj. 95 
Seitdem nahm er den Namen M. Anrelius Anto¬ 
ninus an und wurde in demselben Jahre (139) 
Quästor. Er vermählte sich mit der Tochter seines 
Adoptivvaters Faustina. Sein Charakter war dem 
seines Vorgängers nicht unähnlich: anfrichtig, be¬ 
scheiden, mild, freundlich. Am 7. März 161 trat 
er die Regierung an. Bei einer in Rom aus- 
gebrochenen Hungersnoth zeigte er und L. Verus, 
sein Adoptivbrnder und Mitregent, große Sorg¬ 
salt und Umsicht. Empörungen in Germanien und 
Britannien wurden gedämpft, ein Krieg gegen die 
Parther von L. Verus 165 glücklich beendigt. Der 
164 ausgebrochene Krieg mit den Markomannen 
im jetzigen Böhmen, denen sich noch andere deutsche 
und paunonische Stämme anschlossen (Capit. Ant. 
Phil. 14 sf. Paus. 8, 43.), machte ihm viel zn 
schaffen. Sogar bis Aquileja in Oberitalieu drangen 
die Feinde vor. Dazu kam eine verheerende Pest, 
welche selbst einen Theil des Heeres hinraffte. 
Eutr. 8, 12. Der Kaiser zog selbst ins Feld und 
siegte mehrere Male; während der Zeit starb 170 
L. Berns ans der Rückreise nach Italien. Der 
Kaiser, der sich inzwischen nach Rom begeben hatte, 
brach schon im folgenden Jahre wieder nach Panno¬ 
nien auf, nachdem er zur Verstärkung des durch 
Pest und Schlachten geschwächten Heeres eifrig ge¬ 
rüstet hatte. Er gewann eine Schlacht auf der zu¬ 
gefrorenen Donau, eine zweite durch die der Sage 
nach aus Christen bestehende legio fulminatrix 
(Bio Cass. 71, 8. 9. Capit. Ant. Phil. 24.) und 
zwang die Feinde endlich zum Frieden, sicherte 
diesen aber durch Ansiedlung vieler Barbaren in 
den Grenzprovinzen und durch Aufführung von 
Grenzwällen, welche er mit Solvaten besetzte. Von 
hier zog er nach Asien, wo sein Feldherr Avidius 
Cassius, der sich im parthischen Kriege ausgezeichnet 
hatte, einen Ausstand erregt hatte. Nach Cassius' 
Ermordung verweilte der Kaiser längere Zeit in 
Asien unb feierte nach der Rückkehr mit seinem 
Sohne Eommodns einen Triumph, 176. Bei dieser 
Veranlassung wurden viele rückständige Abgaben 
erlassen und die Bürger reich beschenkt. Schon 
179 mußte er abermals gegen die treulosen Marko¬ 
mannen zu Felde ziehen, schlug sie bei Carnuntum 
in Pamiouien, starb aber noch während des Kriegs 
ant 17. März 180, wahrscheinlich zu Sirminm. 
Wiewohl seine Regierung wider seine Neigung 
kriegerisch war, so sorgte er doch für das Wohl 
seiner Völker durch treffliche Gesetze, besonders in 
der ersten Zeit seiner Regierung, vermehrte die 
Zahl der Gerichte und nahm an den Sitzungen 
des Senates, bett er hoch ehrte und ihm größeren 
Einfluß gestattete, als selbst sein Vorgänger ge¬ 
than, oft persönlich Theil; dabei haßte er Auf¬ 
wand und Luxus und lebte selbst sehr sparsam. 
Er war mild und freuublich, was er besonders 
gegen die Familie des Avidius Cassius zeigte. 
Sein Wesen und feine ganzk Anschauungsweise 
spricht sich aus in der von ihm verfaßten Schrift: 
zu 8lg EccvTov, in 12 Büchern, einer Sammlung 
von moralischen Betrachtungen, worin er sich als 
Anhänger der stoischen Philosophie bekennt, aber 
nach der ihm eigenthümlichen Milde die Scharfen 
der stoischen Lehre zu mildern sich bemüht. Einen 
großen Theil dieses Werkes verfaßte er ans seinen 
Donau-Feldzügen unter den Beschwerden des Krieges 
im Lager von Carnuntum. Attsgg. von Gataker 
(1652), von Schultz (1802), von Dübner (1840). 
Außerdem sind einige Briese und ein Dialog von 
ihm an Fronto in dessen Briefsammlung vorhanden. 
Aiitonlims Liberalis,vielleicht ein Freigelassener 
des Kaisers Autoniuus Pius, lebte tim 150 n. C.; 
von ihm haben wir eine Mythensammlung flexcc- 
fioQcpcöaswv owaycoyiq. Attsgg, von Berheyk, (Leyden 
(1774), von Koch, (Lpz. 1832). 
Anübis, ’Avovßig, ein in ganz Mgypten seit 
uralter Zeit verehrter Gott, Sohn des Osiris und 
der Isis oder der Nephthys. Seine Verehrung 
hing auss engste mit dem Todteucult zusammen. 
Unter feiner Obhut stand die Eiitbalfamiruug, die 
Bekleidung und Einhüllung der Todten, er hütete 
das Grab unb beschützte die Mumien, begleitete 
die Seele in die Unterwelt und erwirkte ihr ein 
gnädiges Urtheil im Todtengericht. Dargestellt 
wurde er entweder in der Gestalt eines Schakals 
oder m Menschengestalt mit dem Schakalkopfe; die 
Griechen und Römer nennen ihn, den Schakal mit 
dem Hunde verwechselnd, einen Hunds- und wolfs¬ 
köpfigen Gott. 
Anxur, bei römischen Prosaikern meist Tarra- 
cltta, j. Terracma, uralte, wahrscheinlich pelasgische, 
später volseische Stadt, benannt von dem volseischen 
Gott Anxur (Jupiter), etwas östlich von der Mün¬ 
dung des Usens an der Via Appia, mit einer Cita¬ 
delle aut steilem Kalkfelsen, während die Stadt sich 
bis in die Ebene den pomptinischen Sümpfen zu 
erstreckte (Hör. sät. 1, 5, 26. Lic. 4, 59. 5, 22.); 
seit 396 v. C. römische Colonie. Liv. 8, 21. 
Anytos, "Awrog, S. des Anthemion, ein reicher 
Sei) er Händler in Athen, der allmählich bis zu den 
höchsten Ehrenstellen gelangte, so daß er selbst mit 
Thrasybul und Archinos an der Spitze der Demo¬ 
kratie stand, durch welche die Dreißig gestürzt 
wurden. Lange mit Sokrates befreundet, wurde 
er nachmals feilt Feind und einer seiner drei An¬ 
kläger (s. Plat. Men., Xenopli. apoL; vgl. So¬ 
krates). Er wurde jedoch, sobald die Athener 
über den Tod des Sokrates Reue empfanden, ver¬ 
bannt, woraus er sich nach Herakleia in Pontos 
wandte. Indessen sollen die Einwohner ihn auch 
dort wieder vertrieben oder sogar gesteinigt haben. 
Vgl. Cobet nov. Icct. p. 670—682. 
Aon, ’Acov, Sohn des Poseidon, ein alter boioti- 
scher König, von welchem eine der ältesten boioti- 
schen Völkerschaften, die Aoues, und der an Phokis 
grenzende Theil des Landes, Avnia, den Namen 
bekam; diefer Theil, in welchem der Helikon und 
die Quelle Aganippe (Aoniae aquae, Ov. fast. 
3, 456.) sich befanden, wird bei Dichtern häufig 
erwähnt, und der Name daher auch auf ganz 
Boiotien ausgedehnt. Deshalb heißen auch die 
Musen Aonides od. Aoniae sorores. Ov. met. 5, 
333. 6, 2 Juv. 7, 58. 
Aornos, ’Aoqvos, öfter vorkommender Name 
hochgelegener Städte und Castelle, 1) in Baktrien, 
von Alexander dem Großen eingenommen. Arr. 
3, 29, 1. — 2) in Indien, Arr. 4, 28, 1. (nach 
Strabon [15, 1. p. 688.] an ben Quellen des 
Indus, richtiger in ber Ecke zwischen ben Flüssen 
Kophen [Kabul] u. Jnbns). Neuere Reisenbe ver¬ 
stehen baruuter ben Berg Azarneh. — 3) s. Aver- 
nus lacus. 
’Ajtaycoyrj ist bei ben Athenern eine sowol nach 
ber Form bes Verfahrens als auch ben Folgen 
nach besonbers harte Art ber öffentlichen Klage, 
bie sich von ber yqacprj (f. b.) wesentlich unter-
	        
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