Full text: Reallexikon des classischen Alterthums für Gymnasien

618 Kyknos - 
rohes, gewaltiges Riesenvolk hinstellt, welches 
fern im Westen ohne alle Cultur, ohne Sitte und 
staatliche Ordnung lebt. Sie bebauen das Land 
nicht, obgleich es mit Fruchtbarkeit gesegnet ist, 
sondern treiben Viehzucht und wohnen, abgeson¬ 
dert von einander, ein jeder mit seiner Familie 
in Höhlen; um die Götter kümmern sie sich nicht 
in ihrem Uebcrmnthe. Die Phaiaken, ihre Nach¬ 
barn, haben sie durch ihre räuberischen Ansälle 
aus ihrer Nähe vertrieben. Der Repräsentant 
dieser rohen, ungeschlachten Weseu ist der Men¬ 
schenfresser Polyphemos (s. Odysseus, 3.). Horn. 
Od. 9, 106 ff. 231 ff. Verg. A. 3, 616 ff. Als 
man später Sicilien und zwar die Gegend 
des Aetna für den Wohnort der homerischen Ky- 
klopen ansah, bildete man, indem man die bei 
den hesiodischen Kyklopen vorkommende Eigen¬ 
schaft von Blitzschmiedern des Zeus wieder her¬ 
vortreten nud vorherrschen ließ, die Kyklopen zu 
Gehülfen des Schmiedegottes Hephaistos um, 
welche in dem Innern des Aetna oder auf der 
benachbarten vulkanischen Insel Lipara dem Zeus 
Blitze und Donnerkeile und den Göttern und 
Heroen Waffen schmieden. Verg. G. 4, 170 ff. 
A. 8, 416 ff. Bon diesen Kyklopen werden ge¬ 
nannt Brontes, Steropes, Pyrakmon, Aka- 
mas. Wegen der riesenhaften Größe und Stärke, 
die den Kyklopen eigen ist, sah man die aus der 
ältesten Zeit stammenden, gewaltigen s. g. kyklo- 
pischen Manern als Werke der Kyklopen an; diese 
Kyklopen wurden aber als von den oben erwähn¬ 
ten verschieden angenommen, sie sollten von Ly¬ 
kien aus mit Proitos nach Argalis gekommen sein 
und die kyklopischeu Mauern von Tiryns und 
Mykenai erbaut haben; deshalb heißt Arga¬ 
lis bei Enripides (Or. 965.) kyklopisches Land. 
Auch in Epeiros, Arkadien und in Latium finden 
sich solche kyklopische Mauern. — Von der Kunst 
wurden die Kyklopen als Riesen mit einem 
An ge auf der Stirne dargestellt, doch so, daß dar¬ 
unter auch die Augen an der gewöhnlichen Stelle 
wenigstens angedeutet waren. 
Kyknos, Kvv-voq, 1) Sohn des Apollon und 
der Thyria (Jpyria, Ov. met. 7, 371.), ein schöner 
Jäger, zwischen Pleuron und Kalydon wohnend, 
der durch sein beleidigendes Wesen alle seine 
Freunde zurückstieß. Nur Phylios harrte bei 
ihm aus; als aber dieser nach mehreren ihm von 
Kyknos aufgetragenen Kämpfen zuletzt eineu 
Stier, den er auf feinen Befehl eingefangen, ihm 
nicht übergab, sprang er, durch diese Weigerung 
erzürnt, in den See Konope, der nach ihm der 
kyknische genannt ward, zugleich mit seiner Mutter, 
worauf beide von Apollon in die diesem Gotte 
heiligen Singschwäne verwandelt wurden. Nach 
Ovid zerfließt Hyria in Thränen und bildet den 
gleichnamigen See. — 2) Sohn des Poseidon und 
der Kalyke, von Fischern, die ihn am Meeresuser 
ausgesetzt fanden, Kyknos genannt, weil sie einen 
Schwan fliegen sahen; er ward König von Kolo- 
nai in Troas. Seine beiden von ihrer Stief¬ 
mutter verleumdeten Kinder erster Ehe, Teues 
und Hemithea, warf er in einem Kasten ins 
Meer; sie landeten auf Teuedos, wo Teues König 
ward. Als Kyknos später sein Unrecht erkannte, 
suchte er seinen Sohn auf, und beide zogen im 
trojanischen Kriege den Troern zu Hülfe, wurden 
aber bei der Landung der Griechen von Achilleus 
— Kyme. 
getödtet, uud zwar ward Kyknos, der nnverwund- 
bar war, mit dem Helmriemen erdrosselt, nach: 
dem er schon 1000 Männer erschlagen. Poseidon 
verwandelte ihn in einen Schwan. Ov. met. 12, 
72 ff. — 3) Sohn des Ares und der Pelopia, 
Schwiegersohn des Keyx, bei Jtou in Thessalien 
von Herakles im Zweikampf erschlagen (s. He¬ 
rakles, 11.). Der Kampf wird beschrieben in 
Hesiods Scutum Herculis. — 4) S. des Ares 
und der Pyrene, ebenfalls von Herakles im Zwei¬ 
kampf getodtet. Als Ares den Fall seines Soh¬ 
nes rächen will, trennt Zeus durch den Blitz den 
Kampf seiner Sohne. Ares soll ihn bei seinem 
Tode in einen Schwan verwandelt haben. Er 
wird oft mit dem vorhergehenden verwechselt. — 
5) S. des Stheneleus, König der Ligurer, Freund 
und Verwandter des Phaethon, der, während er 
über Phaethons Tod trauert, von Apollon in 
einen Schwan verwandelt und unter die Gestirne 
versetzt wird. Ov. met. 2, 367 ff. Verg. A. 10,189 ff. 
Kvxvoq, cygnus, der Schwan, dem Apollon 
heilig, nach der Meinung der Alten kurz vor 
seinem Tode klagende und rührende Gesänge an¬ 
stimmend. Indessen wurde diese, mythisch ein¬ 
gekleidete, Vorstellung schon von den Alten be¬ 
stritten; Andere dagegen vertheidigten sie und be¬ 
schrieben die Sache genauer, vgl. Cie. tusc. 1, 30, 
73. Erst bei Hesiod erscheint er in solcher Weise. 
Einen cygnus canorus kennt auch unsere Natur¬ 
geschichte. 
Kyllene s. Achaia und Arkadia. 
Kyllenios s. Hermes, 1. 
Kylon, Kvlcov, ein Athener aus Eupatriden- 
stamm, hatte 640 v. C. (Ol. 35, 1.) in Olympia 
gesiegt und war vermählt mit der Tochter des 
Tyrannen von Megara, Theagenes. Im I. 612 
(nach Andern schon 620) stellte er sich zur Unter¬ 
drückung der übrigen Enpatriden an die Spitze 
einer Verschwörung, unterstützt durch deu Orakel¬ 
spruch, an dem größten Feste des Zeus die Burg 
zu besetzen; er hielt dafür die olympischen Spiele, 
nicht bedenkend, daß zu anderer Zeit die Athener 
dem Zeus Meilichios außerhalb der Stadt die 
Diasia feierten. Der Archon Megakles, des Alk- 
maion Sohn, schloß die besetzte Burg ein, so daß 
bald Mangel entstand. Kylon und sein Bruder 
entflohen; seine Anhänger setzten sich schutzflehend 
aus den Altar der Athene auf der Burg, den sie 
nur verließen auf das ihnen gegebene Versprechen, 
ihres Lebens zu schonen. Allein man brach das 
gegebene Wort und ermordete sie, einige sogar 
an den Altären der Erinyen, wohin sie geflüchtet 
waren. Da dieser mit Genehmigung des Mega¬ 
kles geschehene Treubruch (Kvlwveiov ayos) eine 
schwere Religionsverletzung enthielt, so wurden 
er und sein ganzes Geschlecht, die Alkmaioniden, 
als fluchbeladene und der Rache der Götter an¬ 
heimgefallene — h’ctysts xccl ahtriQLOL r??s dsov 
— betrachtet, und in den folgenden Parteikämpfen 
wird dies immer wieder hervorgehoben, obwol 
durch Epimenides von Kreta eine Entsühnung 
vollzogen war. Thue. 1, 126. Hdt. 5, 71. Flut. 
Sol 12. Paus. 7, 25, 1. 
Kyme, Kv[iri, die wichtigste Stadt in Aiolis 
(Kleinasien) am kymaiischen oder elaitischen Busen, 
erhielt von ihren Gründern, Leckrem vom Berge 
Phrikios, den Beinamen ^ql-acovl?. Sie hatte 
einen sichern Hafen, in welchem die geschlagene
	        
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