Full text: Reallexikon des classischen Alterthums für Gymnasien

Mysteria. 
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2)iont) fielt, bas Siftrum bei bcn M. ber ^fis u. f. f. 
Alle biese auf starke Erregung bes Gemüths be¬ 
rechneten Hanblungen unb Bräuche würben unter 
beni Ausbruck dziHvvfievoi ober §Qco[i£va (als 
bramatische Darstellungen zu beulen, z. 33. tn bett 
Elensinischen: Persephone's Entführung tu bie 
Unterwelt, Demeters Umherirren nach ber ver¬ 
lorenen Tochter, Plutons unb Persephone's Hoch¬ 
zeit, Demeters Rückkehr in ben Olympos) unb 
Isyofisvcc zusammengefaßt. — Um zu bett M. 
Zutritt zu erlangen, beburfte es einer besonberen 
Einweihung, bie in verschobenen Graben bestaub. 
Der Anfzunehmenbe würbe allmählich von einem 
Acte zum anberu bis zum höchsten Grabe, bis 
zur völligen Weihe hinburchgefiihrt. Gewöhnlich 
unterscheidet man iivrjGi? unb snortTSicc, vorbe- 
reiteube Weihe unb volle Anschauung; boch öfter 
schickte man biefen beiden Acten noch bie Reini¬ 
gungen als eine Vorstufe voraus, lieber bic drei 
Stufen in ben Eleusinien s. b. Der vollenbetste 
Grad ist bie InonrtLu, bas Anschauen bes Aller- 
heiligsten, was als ein Act ber höchsten Besccligung 
angesehen warb. Die vorläufig eingeweihten hte- 
ßen [ivoTcci, bie völlig Schauenben enonrai. Eine- 
abstracte bogmatische Lehre sanb bei ben M. nicht 
statt; bie betn Cultus zu Grnnbe liegenden Ideen 
mürben, wie schon vorher gesagt, ans symbolische 
Art bargestellt unb von beu Einzelnen je nach 
ihrem Bilbungsgrabe aufgesaßt. Besonders bars 
man nicht, rote bies früher geschehen, annehmen, 
baß bie Priester ber M. im Besitz einer reineren 
unb besseren Religion, als bie bes Volkes war, 
gewesen seien unb sie im Verborgenen fortge¬ 
pflanzt hätten.. Den Teilnehmern an ben M. 
war sowol währenb ber Feier als auch besonbers 
nach bersclbcu strenges Schweigen anbesohlen, 
bautit bas Geheimnißvollc unb Heilige ber Feier 
nicht burch Hinaustragen ins profane Leben ent¬ 
weiht werbe. An manchen M. hatten Alle ohne 
Unterschieb bes Staubes, bes Geschlechtes unb 
Alters Theil, manche würben nur von Frauen 
gefeiert, anbere von eng geschlossenen Vereinen. 
4 Die Anfänge ber M. sind in vorhomerischer Zeit 
bei ben Pelasgern zu suchen, in bem alten Cultus 
geheimnißvoller Naturmächte, namentlich ber chtho- 
iiischen Gottheiten. Dieser beruhte ans einer ge¬ 
wissen mystischen Empfindungs- und Anschauungs¬ 
weise, nach welcher bas Göttliche bem Menschen 
lincublich fern steht unb als unbegrissene Macht 
nicht klar unb plastisch gestaltet werben kann. 
Weit entfernt von biejem Mysticismus ber alten 
Pelasger war bie homerische unb echthellenische 
Zeit, in welcher ber Grieche seinen Göttern nahe 
zu stehen glaubte unb sie in klaren Gestalten sich 
vor Augen stellte. Während bieser Zeit würben 
jene pelasgischen Culte zurückgedrängt unb bitbeten 
sich in ihrer Zurückgezogenheit unb Abgeschieden¬ 
heit von bem hellenischen Leben völlig zu Geheim- 
cutten aus. Als man sich aber von ben zu sehr 
in bic Aeußerlichkeit gezogenen Gottheiten bes 
hellenischen Zeitalters nicht mehr befriedigt fühlte, 
suchte mau sein Heil wieder in jener zurückge¬ 
drängten Seite der griech. Religion, in den Ge- 
heimeulten der chthonischen und der Naturgötter 
überhaupt, in deren Vorstellungen von dem Wach¬ 
sen und Welken der Pflanzenwelt, von dem Leben 
und Sterbender Natur die ahnende Seele ihre 
eigene Geschichte, die Ideen von dem Wechsel des 
Lebens und des Todes geheiiuuißvoll angeheulet 
sah. So blühten beim bie M., indem man ihren 
alten Gebräuchen und Symbolen die neu entstan¬ 
denen Ideen der Unsterblichkeit und einer Ver¬ 
geltung nach dem Tode unterlegte, neu auf, mit 
so mehr, je weniger das Diesseits befriedigte, je 
mehr ber Grieche, durch orientalischen Einfluß 
dem Naturleben verfallen, _ aus demselben erlöst 
■ut tu erben verlangte. Diese neue Blüte verdaut 
teit bie M. zum großen Theil ber Sekte ber Or¬ 
phiker , bic, ungefähr um 600 v. C. entstanden, 
einen bebcutenbeu Einfluß auf bie M. gewann 
unb ihre zum Theil aus bem Orient geholte theo¬ 
logische Speculation in dieselben übertrug. Durch 
ben Einfluß berselben Secte geschah cs vornehm¬ 
lich, baß auslänbischc Mystcrieuculte nach Gne- 
chenlanb verpflanzt unb bie Mysterien der ver- • 
schiebenen Religionskreise mit etnanber vermengt 
mürben. — Als einheimische Mysterien Griechen- 5 
lanbs aus alter pelasgischer Zeit sind die M. der 
Demeter anzusehen, von denen die attischen zu 
E1 eusis bei weitem die berühmtesten geworden 
sinb, in benen man nach Trost unb Beruhigung 
in Bezug aus bas Jenseits suchte (f. Eleusinia). 
Ferner bie samothrakischen Weihen derKa- 
betreu, welche Herodot ebensalls ein pelasgisches 
Institut nennt. Sie gelten nach den Eleusinien 
für die heiligsten in Griechenland und scheinen 
auch in ihrer inneren Einrichtung große Achn 
lichkeit mit diesen gehabt zu haben, wiewol man 
wenig zuverlässiges von ihnen weiß. S. Kabei- 
ren. Sie wurden wie die Eleusinien von Staats 
wegen geübt und fanden befonbers bei bett see- 
fahrenben Griechen ber asiatischen unb thrakischen 
Küste Anerkennung. Auch bie M. bes kretischen 
Zeus waren griechischen Ursprungs, wiewol sich 
asiatische Elemente eingemischt haben mögen. Man 
weiß von benselben wenig. Wahrscheinlich feierte 
man int Frühling bie Geburt bes Gottes in der 
ibaiiichen Grotte unb auf ben anstoßenben Wiesen, 
int Herbste seinen Tob an seinem Grabe. Bei 
betn Geburtsfeste führten bewaffnete Jünglinge, 
bie Kureten barftettenb, unter toitben Tanzen mit 
raufchenber Musik bie Sage von ber Geburt bes 
Zeus aus. Als besondere Eigenthümlichkeit wirb, 
angeführt, baß biese Mysterien öffentlich unter 
freiem Himmel (cpavsQcog), nicht, wie sonst, int 
Geheimen (/ivannds), begangen worben seien. 
Anslänbisch waren bie M. bes Dionysos, welche 
bem thrakischen unb phrygischen Dienste bes Dio- 
nysos-Bakchos, Zagrcus, Sabazios entstammten. 
Diese würben vorzugsweise mit einem wilden, 
rasenden Fanatismus gefeiert, der in Verstüm¬ 
melung des Leibes und häßliche Unsittlichkeiten 
ausartete. Die gesitteten und besseren Griechen 6 
und Römer suchten sich diese Ausartung asiatischer 
Schwärmerei und Sinnentaumels fern $u halten. 
In ähnlichem wildem Fanatismus wurden die 
asiatischen M. der Kybele gefeiert, bie in später 
griech. unb rönt. Zeit zu ben verbreitetsten unb 
ausgebilbetsten gehörten. Schon sehr srüh sanb 
biese Religion bei bett asiatischen Griechen Ein¬ 
gang (.Hdt. 4, 76.), später auch zu Theben, Athen 
unb in anberen griechischen Städten, sowie auch 
in Rom. Ferner kannte man Weihen ber He¬ 
kate, ber Aphrobite, ber Isis, bes Mithras. 
Aus betn Culte bes thrakischen Dionysos ent¬ 
wickelten sich burch Zuziehung bes mannigfaltig-
	        
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