974 Pythagoras.
Vaterstadt Sparta herbei (Flut. Pyrrh. 27. Paus.
1, 13); statt aber sofort die überraschte Stadt
anzugreifen, zögerte er, so daß die Einwohner
Anstalten znc Gegenwehr treffen konnten und ihn
durch heldenmüthige Vertheidigung zum Abzüge
nöthigten. Auf dem Rückzüge traf P. den Än-
tigonos Gonatas in den Ebenen von Argos. P.
versuchte, Argos zu besetzen; da drangen die
Makedonier und die zur Hülse heranrückenden
Spartaner gleichfalls in die Stadt ein, es ent¬
stand ein heftiger Kampf in den Straßen; P.
selbst, verwundet von einem Argiver, wollte diesen
gerade niederstoßen, als des Bedrohten Mntter
auf den König einen Dachziegel herabschleuderte,
so Wß er niederstürzte. Von einem der Leute
des Wntigonos vollends getödtet, verlor P. Reich
und Leben in einem elenden Straßenkampse und
endete wie ein Abenteurer, 272. Flut. Pyrrh.
31 s. Just. 25, 5. Paus. 1, 13, 9. Des Ge¬
fallenen Leiche ließ Antigonos ehrenvoll bestatten.
Erwähnt wird noch, daß P. mehrere sehr ge¬
schälte Schriften über Kriegskunst verfaßt habe.
Plut. Pyrrh. 8. lÄv. 35, 14. Cic. ad favi.
9, 25.
Pythagoras, Uv^ayogag, 1) der berühmte
Philosoph, mit dessen Geschichte sich freilich fehr
früh die Sage verbunden Hat, in einer Weise,
die es schwer macht, beides sicher zu scheiden.
P. stammt sehr wahrscheinlich aus Samos, wo
er eltva zwischen 580 und 568 v. C. geboren
sein soll. Seine Lehrer sollen Thales, Bias,
Anaximander gewesen sein, ebenso Pherekydes;
dann werden seine Reisen und besonders eine
nach Aegypten erwähnt (Hdt. 2, 81 123); die
Neuplatoniker lassen ihn seine Weisheit aus den
Culten und Geheimlehren des Orients entnehmen.
In seinem 40. Jahre soll er sich nach Großgrie¬
chenland und besonders nach Kroton begeben
und dort gelebt haben. Mit vielem Wissen, be¬
sonders auch in Mathematik und Musik, ausge¬
stattet, stiftete er dort eine Gesellschaft, die sich
noch bei seinen Lebzeiten über die bedeutendsten
der großgriechischen Städte verbreitete. Spätere
ineuplatonische) Berichte verbinden hiermit Wun¬
derbares aus seinem früheren Leben, feine Ab¬
kunft, Verkehr mit Göttern, Erinnerung an die
frühere eigene Präexistenz. Nach diesen Berichten
war die Gesellschaft der Pythagoreer festgegliedert
nach der Art eines geheimen Ordens, mit vielen
Weihen und Gebräuchen. Nach strenger 2-5-
jähriger Prüfung im Schweigen wurden die Mit¬
glieder aufgenommen und zerfielen in Exote-
riker oder Akufmatiker und Esoteriker oder
Mathematiker, Sebastiker. Die eigentlichen Py¬
thagoreer lebten in Gütergemeinschaft, hatten
strenge Lebensregeln, z. B. enthielten sich des
Fleijchgennsses und der Bohnen, ließen sich nicht
in wollenen Kleidern begraben u. s. w. Soviel
scheint festzustehen, daß diese Gesellschaft eine sitt¬
lich religiöse Reform des griechischen Lebens be¬
zweckte und durch eine der dorischen Aristokratie
zugeneigte Politik sich Einfluß zu verschaffen wußte.
Ueber das Ende des P. wird verschieden berichtet:-
nach Einigen soll er bei einem Aufruhr der de¬
mokratischen Partei zu Kroton mit 300 seiner
Anhänger umgekommen sein; nach Andern nach
Metapont geflohen und dort 80- oder 90jährig
gestorben sein. Die Lehre und der Einfluß des
P. machten sich in den großgriechischen ©labten
noch lange geltend, zuletzt unter Archytas zu
Damit. Was Spätere über des P Frau und
Schülerin Theano, seine Tochter Damo und seinen
Sohn Telanges erzählen, verdient keinen Glau¬
ben. Bedeutend unter den Pythagoreern sind
Empedokles und Phitolaos, sowie Klei-
nias, Eurytos und Archytas, Platons Zeit¬
genosse. Die einzig zuverlässigen Reste pythago¬
reischer Schriften find die Fragmente des Philolaos ;
der Lfgog Aoyog, die iQvoä sny, 71 Hexameter,
„trockne Verse, die sich ohne Zusammenhang und
Vorzüge der Form mechanisch an einander reihen"
(aufgenommen in Bruncks, Orelli's u. a Samm¬
lungen) u. a. find entschieden nnächt. Es ist
schwer, bei dem Schleier, welchen die Sage um
den Meister gelegt hat, zu entscheiden, welche
Ansichten der späteren Anhänger ihm selbst an¬
gehören; doch es ist unzweifelhaft, daß nicht er
bereits die kosmischen Lehren ausgesprochen hat,
welche Philolaos später veröffentlichte. Die Kugel¬
gestalt der Erde hat er nicht gelehrt, vielmehr
dürfen wir annehmen, daß er die Erde noch in
Uebereinstimmung mit den ionischen Physikern als
Scheibe in der Mitte des kugelförmigen Weltalls
ruhen ließ. Das Weltsystem des P. ist geocentrisch,
die Erde tönt in der berühmten Sphäreuhar-
moitie nicht mit, sondern ruht unbewegt in der
Mitte der sie umkreisenden sieben Planetensphä¬
ren. Die früher nicht selten wiederholte Behaup¬
tung, P. habe die Bewegung der Erde um die
Sonne gelehrt, also ein heliocentrisches System
aufgestellt, ist demnach unrichtig, und die coper-
nicanische Weltlehre war durchaus feine „falsa
doctrina Pythagorica“, wie das päpstliche Verbot
sie am 5. März 1616 bezeichnete. Die Haupt¬
quelle für die Kenntniß der pythagoreischen Philo
sophie sind die Fragmente und die Schriften
des Aristoteles. Der Hauptsatz dieses Philosophen
lautet: Alles ist Zahl, b. H. die Dinge sind
nicht bloß nach Zahlen geordnet, sonbern be¬
stehen auch ans Zahlen ihrem substantiellen Wesen
nach. Als Bestanbtheile ber Zahl werben nach¬
gewiesen bas Gerabe unb bas Ungerabe, bas Un¬
begrenzte (ctntiQov) unb Begrenzte (rä nt-ycdvovTix,
to TttQcts). Hieburch nahmen sie einen burch Alles
sich hiuziehenben Dualismus an, im Verfolg
ober knüpfte man ihre Gebauten au ein festes
Schema unb bie heilige Zehnmahl au, inbent
jenen beiben Begriffspaaren noch 8 weitere (Ein¬
heit — Vielheit, Rechts — Links, Männlich —
Weiblich, Rnihend — Bewegt, Gerabe — Krumm,
Licht — Finsterniß, Gut — Böse, Quabrat —
Oblongum) beigefügt würben. Die Zahl ist Har¬
monie als Einheit Entgegengesetzter, baher es
auch heißt: Alles ist eine Harmonie, eine Ver¬
knüpfung von Entgegengesetztem burch Zahl unb
Maß. Für bie weitere Anwenbung ihrer Zahlen¬
theorie wanbten sich bie Pythagoreer ber Con-
struction bes Weltgebänbes zu, inbent sie Zahl
unb Abstäube ber Himmelskörper nach bem de-
kabischen System bestimmten. In ber Mitte bes
kugelförmigen Weltgebänbes nahmen sie bas Cen-
tralfeuer au, beu Hauptsitz ber bas Ganze durch¬
strömenden göttlichen Lebenskraft. Um das ir¬
dische Leben bekümmerten sich die Pythagoreer
weniger. Mittelst der 5 regelmäßigen Körper
(Pyramiden, Oktaeder,Ikosaeder, Würfel, Dodekg-