Full text: Stoffe und Probleme des Geschichtsunterrichts in höheren Schulen

Zeitalter des perikles 105 
Menften dem perikles, wieviel dem Volke zuzuschreiben ist; mich will 
beMnfen, des letzteren Größe bestehe eben darin, jenen Mann zu er¬ 
tragen und sich seiner Leitung zu fügen. (Ein Charakterbild des Pe¬ 
rikles aus den Berichten des Thukydides entwickeln zu lassen, wäre eine 
wertvolle Hufgabe für die Schüler. 
Das wunderbare, ewig Denkwürdige an jenem Zeitalter ist doch das 
Nebeneinander so vieler genialer Menschen von der mannigfaltigsten 
Begabung in dem engen Raume dieser mäßig großen Stadt Hthen. von 
diesem Reichtum sollen die Schüler einen Begriff bekommen; man muß 
ihnen dann aber zu den Hamen auch die Werke vorführen. 3n der 
bildenden Kunst steht phidias im Mittelpunkt; doch möchten Hlkamenes, 
polyklet, paionios deshalb nicht vergessen werden, vielleicht empfiehlt es 
sich, wie Brandt will 1I vom Relief zur Rundplastik fortzuschreiten. Man be¬ 
spreche eingehend nur wenige, zeige aber viele Abbildungen, lasse sie 
auch einige Zeit im Klassenzimmer hängen, deute Probleme an, deren 
Lösung in den Werken versucht oder gelungen ist, und man kann hier¬ 
bei mit größerer Gewißheit als bei den meisten anderen Gegenständen 
auf Erkundigungen der Schüler rechnen. 
Ganz besondere Schwierigkeit macht die Literatur des perikleischen 
Zeitalters, speziell die dramatische. Sie zu übergehen, ist bei unserer Auf¬ 
fassung des Geschichtsunterrichts unmöglich, da sie gerade die aller¬ 
wertvollsten Bildungsstoffe enthält und wir in ihr ein Stück Altertum 
selbst in uns aufnehmen können. Bloß das und jenes über die Werke 
vorzutragen und lernen zu lassen, ist gänzlich nutzlos; diese Sorte von 
sog. „Literaturgeschichte" ist Unfug. Andererseits ist es unmöglich, alle 
oder auch nur viele dieser Dramen, wie man eigentlich müßte, lesen zu 
lassen, zumal da von manchen noch keine wirklich guten und billigen 
Übersetzungen existieren. (Die Reclamschen sind entsetzlich.) vielleicht 
kann man sich so helfen. Die Lektüre antiker Dramen im Geschichts¬ 
unterricht hat zwei Hauptzwecke: 1. den Reichtum und die Vollendung 
der poetischen Produktion des betr. Zeitalters erkennbar zu machen, 2. 
aus ihnen den Geist der Zeit herauszulesen. Jenem Zweck dienert besser 
die sophokleischen, diesem die euripideischen Dramen.2 Man wird also 
1 Paul Brandt, Vorschläge für den Kunstunterricht an Gymnasien. Bonner 
Programm 1900. Die Vorschläge sind höchst beachtenswert. 
2 Ihre Würdigung als Dichtungen ist für den Laien so schwierig, daß es 
sich kaum empfiehlt, sie ohne Anleitung der naturgemäß etwas voreiligen Kritif 
der jungen Leute auszusetzen.
	        
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