Full text: Stoffe und Probleme des Geschichtsunterrichts in höheren Schulen

Das Mittelalter 
Amerika i scheint es viel üblicher als bei uns, daß die Schüler auch die 
erforderlichen geographisch-historischen Kartenskizzen selbst anfertigen, 
indem sie entweder gewisse Grenzlinien und Flächenkolorierung oder be¬ 
stimmte Orte in eine stumme Karte eintragen, sei es um die politische 
Teilung eines Gebietes zu bestimmtem Zeitpunkt, die Verbreitung einer 
verfassungsform, einer Konfession, eines Dorftypus, einer Rechtsbil- 
düng u. dgl. graphisch festzuhalten, sei es, um alle bei einer bestimmten 
Gruppe von Ereignissen beteiligten (Drte auf einem Blatte für sich allein 
zu vereinigen. Bei uns ist das Vorhandensein vortrefflicher histori¬ 
scher Schulatlanten und Wandkarten, auf denen schon alles steht, für 
diese Hrt von Selbstbetätigung der Schüler zweifellos ein Hindernis. 
Wir ersparen so viel 3eit; dafür sind aber die Schüler zu größerer Pas¬ 
sivität genötigt. (Es wäre mindestens erwünscht, daß sie alle noch einen 
Atlas mit stummen Karten besäßen,- diese würden sich neben den Schul¬ 
atlanten noch immer nützlich verwenden lassen. 
fluch ein so beschaffener Unterricht bei genügender Zeit, d.h. bei ver¬ 
nünftiger Stoffeinteilung, wird als (Ergebnis keine wunder zeitigen. Der 
Geschichtslehrer, der die Schüler nach drei Jahren 
auf der (Oberstufe 
wieder vor sich hat, wird mit Betrübnis feststellen, wie unglaublich viel 
einst anscheinend gut angeeigneter Kenntnisse sich inzwischen verflüchtigt 
haben, von Untertertia bis Unterprima (Preußen) bzw. von Quarta 
bis Gbersekunda (Sachsen) ist eben ein langer weg, auf dem das Inter¬ 
esse des Schülers von ganz andren historischen Stoffen in Anspruch ge¬ 
nommen war; die Möglichkeit einer immanenten Wiederholung gerade 
der mittelalterlichen Geschichte bei der Durchnahme anderer Pensen ist 
recht gering, während Altertum und Neuzeit viel mehr gegenseitige Be¬ 
ziehungen aufweisen, und fast ganz vom Zufall hängt es ab, ob etwa die 
private Lektüre historischer Romane die (Erinnerung auffrischt und be¬ 
lebt. Der Aufgabe, den Stoff zu wiederholen, die Chronologie — für 
viele Schüler das Lästigste — wieder einzuprägen, kann sich daher auch 
auf der Oberstufe der Unterricht nicht entziehen; aber das Verfahren 
darf doch ein wesentlich anderes sein, und höhere £ehraufgaben müssen 
diese elementare ergänzen. Der Lehrer kann sich für die bloße Repetition 
1 Für Frankreich siehe Seignobos, L’histoire dans l’enseignement secon- 
daire. Paris 1906, Armand Colin (nicht im Handel); für flmerifa zahlreiche 
Kufsätze und hinweise in „The History Teacher’s Magazine“.
	        
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