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und seinen glücklichen Tagen. Namentlich erwähnte er oft des Tags
seiner Rückkehr von der Wanderschaft. «Mein Vater,» erzählte er einmal,
«war ein tätiger und ernster Mann, der mir nicht erlaubte, viel umher¬
zugaffen, sondern mich von klein auf scharf zur Arbeit anhielt. Was ein
fester Baum werden soll, pflegte er zu sagen, das muß im Winde wachsen,
und ein Handwerksmann darf nicht erzogen werden wie ein Edelmann.
Ich ehrte ihn sehr und war folgsam gegen seine Befehle, weil es Gottes
Gebot ist, doch nicht immer mit frohem und vollem Herzen; aber meine
Mutter liebte ich über alles und tat genau, was sie mich hieß. Beide
waren schon hoch in Jahren, als ich so weit herangewachsen war, daß
ich mich auf die Wanderschaft begeben mußte; denn ich war von 10
Kindern das jüngste und nebst einer Schwester allein noch übrig.
Mit schwerem Herzen ging ich aus der Stadt und sah mich oft um.
Da ich aber bald in die Arbeit kam, wurde ich wieder guten Muts.
8 Jahre bin ich in der Fremde gewesen und habe viel Neues gelernt,
was mir in der Folge großen Vorteil gebracht hat. Ich hatte öfters Ge¬
legenheit, mich unter guten Aussichten als Meister niederzulassen; aber so
gut es mir auch gehn mochte, so waren meine Gedanken doch immer auf
meine Heimat gerichtet. Es kam mir immer vor, als ob die väterliche
Werkstätte die beste auf Erden sei.
Eines Abends, es war am zweiten Ostertage, als ich müßig am
Rhein saß und die Sonne mir gegenüber unterging, und der Fluß zu
meinen Füßen rauschte und das junge Laub der Bäume über mir, da ergriff
mich eine unbeschreibliche Sehnsucht nach den Meinigen. Ich hatte seit
geraumer Zeit keine Nachricht von ihnen, und es war mir, als ob sie
mich zu sich riefen. Ich war eben ohne Herrn und wollte noch weiter
wandern; aber in diesem Augenblicke beschloß ich, nach Hause zurück¬
zukehren. Noch am selben Tage schnürte ich mein Bündel und trat
schon am folgenden Morgen frisch und wohlgemut meine Reise in die so
entfernte Heimat an.
Als ich mich den Grenzen meines Vaterlands näherte, sah ich schon
von ferne die blauen Berge und erkannte die Gegend, wo die Stadt
liegen mußte. Ich begrüßte jede bekannte Stelle, deren immer mehr
wurden, je näher ich der Stadt kam. Es war kurz nach Mittag, als ich
ihre rauchenden Schornsteine sah. Bald erkannte ich das Dach des
väterlichen Hauses; aber die Essen darauf rauchten nicht. Da pochte mir
mein Herz. Ich kehrte in das Hölzchen ein, das am Wege liegt, und f
setzte mich nieder, um meiner Unruhe Meister zu werden. Ach, dachte
ich, du wirst Vater und Mutter nicht wiedersehen! Das Feuer ruht in
der Werkstätte, und so wird er wohl auch ruhen, der alte Vater, von
aller Mühe des Lebens.
Ich stand traurig auf und ging mit unruhigem Herzen durch das Tor
und die lange Gasse, ohne um und neben mich zu sehen. Wie ich um