Full text: Deutsche Urgeschichte, Das Frankenreich, Deutschland unter eigenen Herrschern (Teil 1)

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bis in den Tod, Opferwilligkeit und warme Bruderliebe bereits ver¬ 
loren. Hochmut und Eitelkeit, Ehrgeiz und Verfolgungseifer, die 
Sucht reich zu werden und zu herrschen, prägte sich bei vielen Christen 
schon deutlich aus. Statt nach der von Christus geforderten Ver¬ 
edlung des Herzens zu streben, betraten die Christen die verderblichen 
Wege der von ihrem Meister so hart verurteilten Pharisäer: sie ver¬ 
äußerlichten das Christentum, legten übermäßigen Wert auf bestimmte 
heilige Zeiten, heilige Orte, Verehrung der Märtyrer, ehelosen Stand 
u. s. w., ja, manche Christen zogen sich ganz von der Welt zurück, um 
in der Einsamkeit der Wüste nutzlosen Andachtsübungen obzuliegen, 
oder sie kasteiten sich nach Art indischer Fakire, in der Meinung, 
dadurch das Wohlgefallen Gottes desto sicherer zu erwerben (die Säulen¬ 
heiligen). Mehr und mehr bildete sich ferner ein Unterschied aus 
zwischen den Geistlichen und Laien. Erstere, namentlich die Vorsitzen¬ 
den Bischöfe, traten immer bestimmter als bevorrechteter Stand auf 
und erhoben als Glieder desselben weitgehende Ansprüche. Besonders 
verlangten sie die Befreiung von der weltlichen Gerichtsbarkeit, außer¬ 
dem sollte ihnen die richterliche Gewalt über ihre Gemeindemitglieder 
gesetzlich zugesprochen werden (bischöfliche Schiedsgerichte), und endlich 
wollten sie des Schutzes der Regierung für ihre Lehrmeinungen 
sicher sein. 
Es war längst kein Geheimnis mehr, daß die Priester der Christen 
in Sachen der Lehre sehr voneinander abwichen, sie führten die ärger¬ 
lichsten Streitigkeiten herbei und gaben den Heiden willkommenen 
Anlaß, auf dem Theater und in Schriften über die Uneinigkeit der 
Christen zu spotten. Zur Zeit Konstantins stritt man besonders über 
zwei Fragen: Sollen diejenigen Christen, welche in den Zeiten der 
Verfolgung sich schwach gezeigt haben, ferner der Gemeinschaft der 
Kirche teilhaftig sein? Die Anhänger des Bischofs Donatus von 
Karthago, die Donatisten, verneinten die Frage, die große Mehrzahl 
der übrigen Bischöfe und Priester gab einer milderen Auffassung 
Raum, aber die Donatisten unterwarfen sich nicht, sondern erregten 
noch lange Zeit blutige Unruhen. Die zweite Frage betraf die Person 
Christi. Der Priester Anus in Alexandria lehrte, Christus sei nicht 
gleichen Wesens mit Gott dem Vater, sondern nur wesensähnlich, sei 
auch nicht von Ewigkeit her dagewesen. Gegen diese Meinung erhob 
sich der Bischof Alexander von Alexandrien und nach ihm sein Nach¬ 
folger Athanasius. Beide behaupteten, daß der Sohn dem Vater
	        
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