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im Sumpfe bis an den Hals steckt, es muß zum voraus geschehen. Durch
die wiederholte und gereifte Überlegung komme man überall dem äußersten
Mißgeschick zuvor. Das Kopfkissen ist eine stumme Sybille und sein
Beginnen vorher beschlafen ist besser als nachmals darüber schlaflos liegen.
Manche handeln erst und denken nachher, welches heißt, weniger auf die
Folgen als auf die Entschuldigungen bedacht sein; andere weder vor—
her noch nachher. Das ganze Leben muß ein fortgesetztes Denken sein,
damit man des rechten Weges nicht verfehle. Wiederholte Überlegung
und Vorsicht machen es möglich unsern Lebenslauf zum voraus zu be—
stimmen.“ Zuweilen freilich ist lange Überlegung nicht möglich und ein
mannhafter Entschluß die beste Weisheit. Man muß seine Existenz auf
eine Karte setzen, wenn man siegen will und man hat nur die Wahl
zwischen Siegen oder Untergehen. Es treten im Leben eines jeden jungen
Mannes solche Schicksalslagen ein, wo er nicht zaudern darf, zum Über—
legen nicht Zeit und nicht das Recht hat. Wohl ihm, wenn er dann
wenigstens den einen festen Entschluß im Herzen trägt, unter allen Um—
ständen mannhaft seine Pflicht zu tun, voranzugehen, zu wagen, was
irgend einer wagen kann, „immer der Erste zu sein,“ wie Homer sagt,
„und sich vor den anderen auszuzeichnen.“ Zuweilen handelt es sich darum
mit andern zusammen als Freiwilliger gegen Tod und Verderben speiende
Batterien hervorzustürmen, in anderen Fällen gilt es allein ein Wagnis
zu bestehen, zu dem sich kein Freiwilliger meldet, eine Tat, die von keiner
Pflicht vorgeschrieben und gefordert werden kann. So schwamm Stanley,
der Erforscher des schwarzen Weltteils, als junger Unteroffizier in der
Marine der Nordstaaten im Sezessionskriege unter dem Kugelregen der
Geschütze eines Forts nach einem fünfhundert Meter entfernten feindlichen
Schiffe und befestigte am Vorderteil ein Ankertau, sodaß das Schiff ohne
Schwierigkeit herangezogen und erbeutet werden konnte. Diese mutige Tat
wurde der erste Schritt zum Emporsteigen des tatkräftigen Mannes.
Aber nicht nur der Krieg sondern jeder friedliche Beruf, ja beinahe jede
Stunde unseres Lebens kann ernste Anforderungen an unsere Entschlossen—
heit stellen. Unvorhergesehene Gefahren und Unglücksfälle, Gewinn und
Verlust im Geschäftsleben, die Verwertung unserer Fähigkeiten und Kapitalien,
persönliche Verwicklungen und öffentliches Auftreten, kurz, alle außergewöhn—
lichen Ereignisse des privaten und politischen Lebens können uns plötzlich
vor die wichtigsten Entscheidungen stellen, welche unserer ganzen Zukunft
eine neue Gestalt geben müssen. Werner von Siemens schrieb einen großen
Teil seiner Arbeitserfolge der Gabe zu sich rasch, ohne lange Überlegung
zu entschließen; er schreibt in seinen Lebenserinnerungen: „Erfolg und
Mißerfolg, Sieg und Niederlage hängen im menschlichen Leben vielfach
ganz von der rechtzeitigen und richtigen Benutzung sich darbietender Gelegen—