Full text: Vom großen Interregnum bis zur Reformation (Teil 2)

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nehme', berichtet er selbst, ,unb über den Saal gehe, gleite ich in meinen 
neuen Schuhen, falle mitten im Saale auf den Rücken, gieße mir den 
Wein auf den Hals; das neue rotdamastne Kleid, welches ich anhatte, 
ging mir ganz zu Schande, aber auch das schöne Schiff zerbrach in 
viele Stücke. Es geschah aber ohne meine Schuld, denn ich hatte weder 
gegessen noch getrunken. Als ich später einen Rausch bekam, stand ich 
fester und fiel hernach kein einziges Mal, auch im Tanze nicht.1 
Zum Trinken und Essen fand sich immer Zeit und Gelegenheit: 
von dem Kindtanfschmause bis zum Leichentrunk zog sich eine Kette 
mit zahllosen Gliedern durch das Leben, und jedes Glied bedeutete ein 
fröhlich Gelag1. Auch die Jungsrauen und Gattinnen leisteten im 
Trinken Außerordentliches. Zum Früh- und Vespertruuk trank ,das 
Franenzunmer1 das Bier kannenweise, nicht weniger inhaltreich war der 
Schlaftrunk. Immerhin standen die Fraueu mit ihren ,vier Maß Bier 
für jeden Tag1 den Männern nach. Ein brandenbnrgischer Oberkämmerer 
pflegte 18 Maß Wein bei einer Mahlzeit zu sich zu nehmen; der Hoch¬ 
meister des Deutschritterordens, Winrich von Kniprode, ernannte den 
Ritter von Bassenheim zum Schloßhauptmann, weil er ein silbernes 
Becken, das acht Flaschen Wein faßte, dreimal geleert hatte. Ein anderer 
Ritter, der beim Wettetrinken einen Kurierstiefel voll Wein zweimal aus¬ 
trank, gewann als Preis dafür ein Dorf. Ost waren Regierungsräte des 
kaiserlichen Hofes schon früh am Morgen so schwer betrunken, daß die 
wichtigsten Angelegenheiten nicht erledigt werden konnten. Die höchste 
Höhe des Übermaßes im Trinken aber bezeichnet die Forderung des 
Reichskammergerichtes in Wetzlar; es verlangte nämlich von seinen Bei¬ 
sitzern, daß sie nicht nur gute Rechtskundige, sondern besonders auch 
gute Trinker seien, damit sie imstande wären, ,hochpreislichem Collegio 
vorkommenden Falls Ehre zu machen1. 
Hand in Hand mit der Völlerei ging die über- und unnatürliche^der- 
Kleiderpracht. Die Obrigkeiten und die Geistlichen versuchten zwar, 
durch Verordnungen, die bis ins Kleinste die Kleidertracht regeln sollten, 
und durch Ermahnungen der unsinnigen Verschwendung Einhalt zu 
thun, aber alle Bemühungen halfen nur für kurze Zeit. Schon machte 
sich der Einfluß der französischen Mode geltend, der die lieben Deutschen 
zu ihrem Schaden nur zu gern blindlings folgten. Die Magistrate 
erklärten diesem ,Teufelswerk1 sofort den Krieg. Nürnberg erließ schon 
1343 eine Kleiderordnung, Frankfurt und Speyer folgten bald nach, 
dennoch steigerte sich die Kleiderpracht fort und fort. „Im fünfzehnten
	        
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