Full text: Vom großen Interregnum bis zur Reformation (Teil 2)

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zeigen, bietet das häusliche Leben ein treues Bild deutscher Art, sich 
das Heim gemütlich zu gestalten, damit es zu einer geweihten Stätte 
werde. Hier wirkte der Mann im Kreise der ©einigen, deren Ver¬ 
sorger und Führer er war, frei von dem Zwange, den Sitte und Ge¬ 
setz ihm auferlegten, sobald er auf die Straße hinaustrat. In seinem 
eigenen Hause war er selbst das Gesetz, welchem sich keiner seiner An¬ 
gehörigen entziehen konnte. Wächterin über gute Sitte aber war die 
Frau. Sie verwaltete das Innere des Hauswesens, besorgte Küche 
und Keller, füllte die Truhen und Schränke mit Kleidern und Leinen¬ 
rollen, hielt darauf, daß es der Speisekammer an Vorräten nicht fehle, 
leitete das Gesinde zur Arbeit an und erzog ihre Kinder. Eine strenge 
Ordnung regelte die Thätigkeit jedes Gliedes der Familie, zu welcher 
damals auch die Dienstboten noch gezählt wurden. Vom frühen Morgen 
bis zur Feierstunde am Abend schaffte der Mann mit seinen Gehilfen 
im Geschäfte, rechtzeitig fand er den Tisch gedeckt, der eine kurze Unter¬ 
brechung der Arbeit hervorrief. Unermüdlich waltete auch die Haus¬ 
frau ihres mühevollen Amtes, das die Besorgung von unendlich vielen 
kleinen Arbeiten von ihr heischte. Welch' ein Frohgefühl ergriff die 
Emsige, wenn nun die ganze Familie zur Abendmahlzeit sich um den 
gastlichen Tisch versammelte und dem einfachen aber kräftigen Mahle 
wacker zusprach. Nach beendetem Essen blieb die Familie zum Plauder¬ 
stündchen noch ein Weilchen bei einander. Der Brauch, des Abeuds ins 
Wirtshaus zu gehen, wie er heutzutage vielfach geübt wird, war noch 
unbekannt; wenn auch der Hausvater zu Zeiten die Trinkstube der 
Zunft ober die der Geschlechter, je nach Rang und Stellung, aufsuchte, 
so fügte er sich doch streng der Sitte, welche verlangte, daß jeder an¬ 
ständige Bürger daheim fein solle, wenn die Ratsglocke die Zeit der 
nächtlichen Ruhe einläutete. Auch die Hausfrau kannte weder Kaffee¬ 
kränzchen noch Theeabende, sie war, mit Ausnahme besonderer Festlich¬ 
keiten, stets im Hause und bei der Arbeit zu finden. Besuch kam selten, 
meist waren es Verwandte und gute Freunde. Eben diese fanden sich 
dann aber auch bei Familienfesten, wie Kindtaufen, Hochzeiten, Geburts¬ 
tagen u. f. w. zusammen, oder sie vereinten sich zum feierlichen Leichen¬ 
begängnis, dem ein Leichenschmaus folgte. 
Einfach wie fein Leben war auch die Wohnung des Bürgers, 
namentlich in der Zeit vor dem fünfzehnten Jahrhundert. Später 
freilich trat eine Wandlung ein, die durch das Aufblühen des Kunst¬ 
gewerbes hervorgerufen wurde. „Die Decke ist in Holz reich geschnitzt
	        
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