Full text: Das Zeitalter der Reformation, Das Jahrhundert des großen Krieges, Das Zeitalter der unumschränkten Fürstengewalt (Teil 3)

161 
Ja, sie predigten mit lauter Stimme, als der Krieg vorüber war, 
diese „zerstörten Städte voller Schutt und Stein," von denen Paul Ger¬ 
hard so ergreifend singt! Wie sahen jetzt die alten, so stolzen Basteien, 
die hohen Mauertürme der deutschen Städte aus! Sie senkten das 
Haupt; zerfallen waren die Zinnen, die Türme vielleicht gesprengt, in 
den Mauern Risse, ellenweit! Die stolzen Kirchen waren oft genug 
aufs schimpflichste entheiligt worden; wie oft hatten wilde Reiter 
in ihnen nicht genächtigt, mit den Pallaschen die Bilder zerschnitten 
und die Statuen zerschlagen, Altar und Taufgerät aufs ekelhafteste be¬ 
sudelt! Kaum giebt es ein älteres Rathaus im deutschen Lande, welches 
die Spuren der Schwedenzeit nicht an sich trüge! Des Landes und 
der Städte Schöne war dahin! 
Doch was dürfen wir klagen um äußere Verluste, wo soviel 
mehr an geistigen und sittlichen Gütern als dahingeschwunden zu be¬ 
trauern ist! Als der Friede in die Städte einzog, als die Glocken 
erklangen, um den Engel zu begrüßen, an dessen Erscheinen auf Erden 
man schon nicht mehr geglaubt hatte, da fand er ein ander Geschlecht 
in den Städten vor. Noch die Wirren der Reformationszeit zeigten 
uns ein kräftiges, ja oft gewalttätiges Bürgertum; Wullenwebers gro߬ 
artige Entwürfe hatten denn doch noch einiges Verständnis bei gleich¬ 
gestimmten Seelen gefunden; jetzt war dem Bürger der Mannesmut 
vollends gebrochen! Was die neue Staatsweisheit von der Omnipotenz 
der Fürsten nimmer hatte gänzlich niederdrücken können: das politische 
Bewußtsein, jetzt ward es völlig gebrochen. Die Lehre vom beschränkten 
Unterthanenverstande ist ziemlich alt in Deutschland; sie geht bis auf 
jene furchtbaren Tage zurück. Geknickt ist der stolze Mannesmut des 
Bürgers, der sich in alten Tagen gleichberechtigt setzte neben den Edel¬ 
mann, wenn's galt, auch neben den Fürsten! Verloren ist das Be¬ 
wußtsein kriegerischer Tüchtigkeit, welches die Brust des Bürgers einst 
so hoch gehoben hatte. Einen hochherzigen Bürger gab es nun 
ein Jahrhundert lang in Deutschland nicht mehr. 
Das geistige Leben der Bürgerschaften Deutschlands litt ebenfalls, 
wenn auch nicht in völlig gleicher Weise: Opitz, Flemming, Gryphius, 
Moscherosch, Zinkgresf, das sind Namen, die nimmer vergessen sein 
sollen, und das evangelische Kirchenlied trieb seine herzerfreuendsten 
Blüten grade in dieser Zeit. Paul Gerhard hatte in den furchtbar 
verwüsteten Städten der Mark Brandenburg des Krieges Elend ant 
tiefsten erkennen lernen. Aber die Poesie erfreute nicht mehr das Herz 
Deutsche Kulturgeschichte. III. i1
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.