Full text: Das Zeitalter der Reformation, Das Jahrhundert des großen Krieges, Das Zeitalter der unumschränkten Fürstengewalt (Teil 3)

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wurden angesteckt und wieder abgelöst." Der preußische höhere Be¬ 
amtenstand trug nach dem Vorbilde seines Königs „Vorsteckärmel", 
auch wohl „Schürzen"; es gab Räte und Rentmeister, welche sich, wenn 
sie auf ihrem Dienstlokale erschienen, die Schuhe auszogen und Pan¬ 
toffeln anlegten, statt der Perücke eine weiße Mütze aufsetzten und also 
angethan einen Vers oder einen Gesang aus dem Porstschen Gesang¬ 
buche lasen, ehe sie ihre Arbeit begannen. 
Still, tüchtig, ehrenhaft, — das ist der Charakter dieser trefflichen 
Generationen bis etwa 1750! Es ist ein schönes, unvergängliches Erbe, 
welches sie uns hinterlassen haben: das schlichte, bürgerliche Haus, in 
welchem die Ehrbarkeit wohnt, die Gottesfurcht und die Treue! Sie 
mögen uns freilich sehr prosaisch erschienen sein, diese Männer der 
Zopfzeit, und auch die Frauen glichen ihnen sehr; dieselben waren ein¬ 
fach, treu, fest, wahr und fromm. 
So war nach trüber Zeit den deutschen Bürgern ein neues Leben 
ausgegangen, ein Leben, das der Schönheit eigentlich blutwenig, aber 
des Gehaltes um fo mehr besaß! Es ist bezeichnend: gerade die mon¬ 
archischen Staaten hatten durch die straffe Zucht ihres Beamtentums 
dies Bürgertum gehegt und gepflegt. In den deutschen Republiken, in 
den Reichsstädten, war das alles anders. Hier hatten alle jene 
Jämmerlichkeiten sich eingenistet, welche wir aus unserer satirischen 
Litteratur genugsam kennen. Wir erinnern nur an Jean Pauls „Armen- 
Advokaten Siebenkäs", an seine Schilderung „des Heiligen Römischen 
Reiches Marktflecken Knhschnappel", an das Bild des „Heimlichers" 
und des „Venners". Aber auch hier lebte noch ein schlichtes, treu¬ 
herziges, zur Hilfe stets bereites sociales Kleinbürgertum; auch hier in 
den Reichsstädten lebten noch große Männer, welche die Gedanken und 
die Aufgaben einer neuen Zeit zu erfassen verstanden. Die alte politische 
Macht war freilich für immer dahin; aber der deutsche Bürger sollte 
der Träger neuer, hoher Jdeeen werden. 
Oskar Schwebe!: Deutsches Bürgertum. Berlin 1883. 
Fünfter Abschnitt. 
Das geistige Leben des siebzehnten Jahrhunderts. 
Politische Knechtung und Bevormundung des Volkes durch die fürst¬ 
liche Willkür, geistige Knechtung desselben durch die Engherzigkeit der 
kirchlichen Oberen, Herrschaft der Ausländerei in Sitte, Sprache und 
Allge¬ 
meiner 
Über¬ 
blick.
	        
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