Full text: Das Zeitalter der Reformation, Das Jahrhundert des großen Krieges, Das Zeitalter der unumschränkten Fürstengewalt (Teil 3)

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zur Spendung der Taufe bereit. Die Täufer brachen in die Häuser 
ein und trieben alle, die sich der Wiedertaufe weigerten, hinaus in das 
Unwetter. „Mütter durften nichts weiter mitnehmen, als ihre halb¬ 
nackten Kinder; mit bloßen Füßen wateten die kleinen Knaben neben 
ihren Eltern durch den Schnee; alten Männern, die an ihrem Stabe 
die Stadt verließen, wurde unter dem Thorweg noch der letzte Zehr- 
pfennig abgenommen, der elendige Rest von dem Erwerbe eines langen 
arbeitsamen Lebens." Hunderte wurden so der Not und dem Elend 
überantwortet. Und doch rühmten sich die Täufer der Gnade, die sie 
ihren Feinden hätten angedeihen lassen. 
Allen Ernstes begannen nun die Täufer in Münster ihren Muster¬ 
staat einzurichten. Gütergemeinschaft ward die Losung. Den Wider¬ 
strebenden ward der Tod angedroht. Ehe zwei Monate vergingen, war 
alle Habe, alles Geld, aller Besitz jeglicher Art in den Händen des 
Rates und des Propheten. Diakonen sollten die Verwaltung des Ge¬ 
samtbesitzes und die Zuteilung des Notwendigen an den einzelnen über¬ 
nehmen. „Alles ist mein sowohl als dein, und dein sowohl als mein;" 
so hieß es im Munde des Propheten und seiner Genossen. Tag und 
Nacht mußten die Häuser offen stehen, um zu jeder Zeit die Nach¬ 
forschung nach verborgenem Besitz zu ermöglichen. Bat ein Bruder 
um irgend etwas, so durfte es ihm nicht verweigert werden. „Bei 
uns, so hieß es, ist in Kraft der Gemeinschaft alles gefallen, was der 
Eigensucht und dem Eigentum dient: Kaufen und Verkaufen, Arbeiten 
um Geld, Rente und Wucher, Mißbrauch der Arbeit des Nächsten zum 
eignen Genuß; wir wissen, mit solchem Opfer behagt man dem Herrn, 
und wir würden lieber den Tod leiden, als zu der alten Ordnung 
zurückkehren." 
Durch eingehende Satzungen ward das Leben in allen seinen Er¬ 
scheinungen geregelt. Seitdem gab es gemeinsame Mahlzeiten für alle 
auf gemeinsame Kosten. Brüder und Schwestern saßen gesondert; 
schweigend nahmen sie das Mahl, während ein Abschnitt der Schrift 
gelesen wurde. Handwerk galt nunmehr als ein Amt, das vom Staate 
verliehen wurde; keiner durfte sich seiner weigern; genau nach den Vor¬ 
schriften des Staates hatten sich die Erzeugnisse des Handwerkes zu 
gestalten. Die ganze Bürgerschaft war wasfenpflichtig; selbst auf die 
Weiber wurde später diese Verpflichtung ausgedehnt. 
Neben dem Rate oder besser trotz des Rates führte in Wirklichkeit 
Jan Matthys mit Hilfe des zugewanderten Gesindels aus den Nieder-
	        
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