Full text: Das Zeitalter Friedrichs des Großen, Deutschland in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, Das Zeitalter Kaiser Wilhelms I. (Teil 4)

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und Scenen in edler Einfachheit darstellenden Bilder der ge¬ 
räumigen Säle. Die Helden und Heldinnen aller Nationen 
prangen hier ohne Mißton in Haltung und Gebärde als hoheit¬ 
volle Statuen, und an den Feldern der Fassade erblicken wir 
in harmonischer Verteilung die Charakterköpfe: Goethe, Schiller, 
Kant, Fichte, Pestalozzi, Mozart und Beethoven. Rings um den 
Palast aber dehnt fich ein grünender nnd blühender Park, reich 
an edeln Fruchtbäumen und bunten Blumen aller Länder, erfüllt 
von dem melodischen Gesänge der Vögel. — Keinem anderen 
Volke ist vergönnt gewesen, die Blüte seines Geisteslebens auf 
so weit vorgerückter Stufe und in einer so ganz aus eigenen 
Kräften hervorgezauberten Kultur zu feiern. Aber auch keinem 
anderen Volke war der Schmerz beschieden, eine so hohe klassische 
Kulturblüte in einer Zeit zu erzielen, in welcher sein politisches 
Dasein in Frage gestellt, seine staatliche Macht aufs tiefste ge¬ 
sunken war und das alte, einst glänzende, aber in langem Ver¬ 
falle zerrüttete Reich der Deutschen ohne aufregenden Todes¬ 
kampf, ganz im stillen, seine völlige Zertrümmerung erfuhr, die 
länger als ein halbes Jahrhundert andauern sollte. Diese neue 
und größere Blüte deutschen Geistes erschloß sich einige Jahre 
vor dem Ausbruche jener wilden Revolution im westlichen Nach¬ 
barlande, die in der Folge ihre Sturzwellen beinahe über ganz 
Europa hinwarf: sie begann mit einer aus allen Gebieten der 
Kunst und des Lebens sich geltend machenden Anlehnung an das 
klassische Altertum, die so weit alle Verhältnisse durchdrang, daß 
sie sich sogar bei manchen Truppen in bei' Einführung von 
Helmen antiker Form äußerte. Es war eine neue, aber mit 
nationalen Zielen verbunbene unb in nationaler Sprache sich 
kunbgebenbe Renaissance b e r Antike. 
Die französische Revolution, hervorgerufen burch beinahe zwei- Aevo- 
hunbertjährige Ausbeutung bes Volkes unter bem Despotismus 
ber Nachfolger Heinrichs IV., nahm einen Charakter an, welcher 3tinv 
mit i hrer Veranlassung eine erschreckenbe Ähnlichkeit hatte. ®e-mUn9e' 
radezu die Vernichtung jener Freiheit, welche in ihr zuerst an¬ 
gestrebt worden war, schien durch die Revolution herbeigeführt 
zu werden. Denn nach Beseitigung des „dritten Staubes", von 
welchem bie maßvollen Anfänge jener Umwälzung ausgegangen 
waren, trat (1791) an bie Stelle ber Gewaltherrschaft absoluter 
Fürsten unb ihrer Günstlinge ein brutal-gewaltsames Regiment 
von Ranb- unb Morbgcfeilen, der Schrecken an die Stelle der 
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