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Kampf gegen historische Phrasen.
und Mittelpunkt für eine Erbmonarchie zu gründen, haben wir oben
schon erwähnt. Die Fürsten waren thatsächlich nur königliche
Beamte. Diese ungeheure Macht erklärt sich aber nur aus der
Doppelstellung HEINRICHS. Er war nämlich auch das anerkannte
Haupt und der eifrigste Vertreter der cluniacensischen Be¬
wegung, die damals das Abendland beherrschte (Synode zu Sutri).
Als solcher beherrschte er auch das Papsttum in dem Mittel der
Papstwahl unbeschränkt und hatte daher gegen irgend einen re¬
bellischen Fürsten ausser den weltlichen Waffen sofort auch die
wirksamsten geistlichen zur Hand (Bann, Interdikt u. s. w.). Da¬
her seine Macht.
Aber schon unter ihm selbst noch regte sich die Opposition
gegen die kaiserliche Allgewalt, und zwar gerade von der Seite,
die ihm so viel verdankte, von der cluniacensischen. Ein deut¬
scher Bischof, den HEINRICH zum Papst ernannte, VICTOR II.
(Bischof Gebhard von Eichstädt), stellte schon die Bedingung, dass
der Kaiser dem Stuhle Petri zurückgebe, t>quae iuris Petri sunt«.
Was konnte mit dem dunklen Ausdruck anderes gemeint sein, als
das Recht der Papstwahl und ähnliches (Investitur*). Dass die
deutschen Fürsten natürlich nur auf die Gelegenheit lauerten, ihre
Machtstellung um jeden Preis wieder zu erringen, ist selbstverständ¬
lich. Der Erbe HEINRICHS III. hätte fast noch bedeutender sein
müssen als der Vater, und er war — ein öjähriges Kind. Natür¬
lich stürzte der Machtbau HEINRICHS III. zusammen. In Italien
machte sich zunächst das Papsttum von dem kaiserlichen Einfluss
auf die Papstwahl frei und suchte dann die Herrschaft über die
Kirche in seine eigene Hand zu bringen. In Deutschland rissen
die Fürsten die alte Macht wieder an sich, das kaiserliche Kind
erhielt eine möglichst unglückliche, von einem Extrem ins andere
schwankende Erziehung. War es ein Wunder, wenn der junge
Fürst, mit 16 Jahren mündig gesprochen und von Schmeichlern
und falschen Freunden umgeben, Fehler über Fehler beging? Er
hatte das stolze Machtgefühl seines Vaters geerbt, aber nicht seinen
hohen sittlichen, ja asketischen Ernst, und sah nicht ein, dass die
politische Lage sowohl im Reiche, als in der Kirche himmelweit
verschieden war von der unter seinem Vater. Er nahm die ab¬
solutistischen Bestrebungen seines Vaters in Sachsen wieder auf und
'") Dass es sich bloss auf territoriale Schwierigkeiten in Italien bezogen habe,
ist unwahrscheinlich.