Die sogenannte »Schmach« von Canossa.
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reizte die Fürsten aufs tiefste. Dies benützte der ebenso energische
als kluge GREGOR VII., um die heikle Frage des Investiturrechtes
zum Austrage zu bringen; heikel war die Frage deshalb, weil das
Recht auf beiden Seiten lag (siehe oben! Gedankengang).
Auf kirchlicher Seite fasste man die Wünsche der clunia-
censischen Reformpartei in drei Punkte zusammen: I. Einführung
der Ehelosigkeit der Priester (Cölibat). 2. Abschaffung der
Simonie, d. h. des Verkaufs geistlicher Würden seitens des Staates.
3. Abschaffung der Einmischung weltlicher Grosser (in
letzter Linie des Kaisers) in die Papstwahl.
Wie gewöhnlich war man mit der Durchführung dieser For¬
derungen sehr klug vorgegangen. Auf der Lateransynode (Ostern
1059), welche durch das bekannte Dekret die Papstwahl für die
Zukunft fixierte, erklärten 113 Bischöfe, unter denen aber kein
einziger Deutscher war, unter der Leitung des Kardinals HlLDEBRAND
(später GREGOR VII.) vorsichtigerweise noch folgendes: »Bei der
Papstwahl ist die schuldige Ehrfurcht gegen den geliebten Sohn
Heinrich (damals im 10. Lebensjahr), den künftigen (!) Kaiser, und
jeden seiner Nachfolger, der vom apostolischen Stuhle dies Recht
persönlich(!!) erlangt, zu beachten« (BARONIUS, Annal. ad. ann. 1059)-
Die fromme Kaiserin AGNES als Reichsverweserin gab sich damit
zufrieden; gegen den widerspenstigen Teil des lombardischen Episko¬
pats begünstigte man die Patarener, gegen den deutschen das
Bürgertum in den rheinischen Städten, das nach dem Sturz der
angelsächsischen Städte bei Hastings (1066) durch den normannischen
Adel seinen Handel in Nordwesteuropa ungeahnt ausdehnte und
zu grosser Blüte und Macht emporstieg. So setzte die Kurie ihren
Willen durch.
Aus Abneigung gegen den anticluniacensischen Episkopat in
Deutschland hatte auch Agnes die Gewalt des hohen Laienadels
wieder aufleben lassen, die HEINRICH III. seiner Zeit gebrochen
hatte. Dadurch hatte sie ihrem Sohne den gefährlichsten Gegner
wieder neu belebt. Auch die Volksstimmung ergrimmte dann
später gegen Heinrich IV., als er nach seiner Grofsjährigkeits-
erklärung die absolutistischen und zentralistischen Pläne in Sachsen
(am Harz, in Goslar u. dgl.) wieder aufnahm. Ferner war sein
Privatleben ein sehr anstössiges.
Da auch die Simonie und Laieninvestitur von HEINRICH ganz
ungescheut wieder betrieben wurde, sah sich die Kurie veranlasst,
vorsichtig Schritt für Schritt vorzugehen. Die Bischöfe von Mainz,
Lorenz, Moderner Geschichtsunterricht. 7