1. Ansprache des Prinzregenten an das neuernannte Staatsministerium (1858) Z 
gewechselt werden. Elle Heuchelei, Scheinheiligkeit, kurzum alles Kirchen« 
wesen als Mittel zu egoistischen Zwecken ist zu entlarven, wo es nur mög¬ 
lich ist. Die wahre Religiosität zeigt sich im ganzen Verhalten des Men¬ 
schen; dies ist immer ins Auge zu fassen und von äußerem Gebaren und 
Schaustellungen zu unterscheiden. Nichtsdestoweniger hoffe ich, daß, je höher 
man im Staate steht, man auch das Beispiel des Kirchenbesuches geben 
wird. — Der katholischen Kirche sind ihre Hechte verfassungsmäßig festge¬ 
stellt. Übergriffe über diese hinaus sind nicht zu dulden. — Das Unterrichts- 
wesen muß in dem Bewußtsein geleitet werden, daß Preußen durch seine 
höheren Lehranstalten an der Spitze geistiger Intelligenz stehen soll, und 
durch seine Schulen die den verschiedenen Klassen der Bevölkerung nötige 
Bildung gewähren, ohne diese Klassen über ihre Sphären zu heben. Größere 
Mittel werden hierzu nötig werden. 
Die Armee hat Preußens Größe geschaffen und dessen Wachstum er¬ 
kämpft; ihre Vernachlässigung hat eine Katastrophe über sie und dadurch 
über den Staat gebracht, die glorreich verwischt worden ist durch die zeit¬ 
gemäße Reorganisation des Heeres, welche die Siege des Befreiungskrieges 
bezeichneten. (Eine vierzigjährige (Erfahrung und zwei kurze Kriegsepisoden 
haben uns indes auch jetzt aufmerksam gemacht, daß manches, was sich nicht 
bewährt hat, zu Anordnungen Veranlassung geben wird. Dazu gehören 
ruhige politische Zustände und — Geld, und es wäre ein schwer sich be¬ 
strafender Fehler, wollte man mit einer wohlfeilen Heeresverfassung pran¬ 
gen, die deshalb im Momente der (Entscheidung den (Erwartungen nicht ent¬ 
spräche. Preußens Heer muß mächtig und angesehen sein, um, wenn es 
gilt, ein schwerwiegendes politisches Gewicht in die tDagfchale legen zu 
können. 
Und so kommen wir zu Preußens politischer Stellung nach außen. 
Preußen muß mit allen Großmächten im freundschaftlichsten Vernehmen 
stehen, ohne sich fremden Einflüssen hinzugeben und ohne sich die Hände 
frühzeitig durch Traktate zu binden. Mit allen übrigen Mächten ist das 
freundliche Verhältnis geboten. 3n Deutschland muß Preußen moralische 
(Eroberungen machen, durch eine weise Gesetzgebung bei sich, durch Hebung 
aller sittlichen (Elemente und durch (Ergreifung von (Einigungselementen, wie 
der Zollverband es ist, der indes einer Reform wird unterworfen werden 
müssen. — Die ID eit muß wissen, daß Preußen überall das Recht zu schützen 
bereit ist. (Ein festes, konsequentes und, wenn es sein muß, energisches Ver¬ 
halten in der Politik, gepaart mit Klugheit und Besonnenheit, muß Preußen 
das politische Ansehen und die Machtstellung verschaffen, die es durch feine 
materielle Macht allein nicht zu erreichen imstande ist. 
Auf dieser Bahn mir zu folgen, um sie mit (Ehren gehen zu können, 
dazu bedarf ich Ihres Beistandes, Ihres Rates, den Sie mir nicht versagen 
werden. Mögen wir uns immer verstehen zum IDohle des Vaterlandes und 
des Königstums von (Bottes Gnaden. 
1*
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.