Object: [Teil 5 = Kl. 3, 2 u. 1, [Schülerbd.]] (Teil 5 = Kl. 3, 2 u. 1, [Schülerbd.])

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Des Nachts hatten Feuerzeichen des Himmels die schwere Zeit voraus¬ 
verkündet. Eine Wolke stieg auf von Norden her, und eine andere kam 
von Osten entgegen, und feurige Strahlenbüschel ohne Unterlaß gegen¬ 
einander schleudernd, stießen sie in der obersten Höhe des Himmels zusammen 
und verschlangen sich gleich zwei Heeren im Kampfe. Allen Menschen 
aber erzitterte das Herz; denn sie glaubten, der Herr habe sein Angesicht 
abgewandt von dem deutschen Volke, und selbst die Hunde sollen dazumal 
kläglicher denn sonst geheult, die Vögel betrüblicher gesungen haben. 
Falsche Propheten standen auf am Rhein und an der Donau, und 
wie Vorläufer des Antichrist gemahnten sie an die Erfüllung der letzten 
Zeiten. Viele Meister des weltlichen Regiments aber walteten ihres Amtes 
so willkürlich und gottlos, als ob weder ihr Regiment, noch ihr Leben, 
noch die Welt jemals ein Ende nehmen könne und der Stuhl des Welten¬ 
richters niemals über den Stühlen aller Könige dieser Welt gesetzt werde. 
Nun war im vorgedachten Jahre ein freier Mann im Fulder Land 
— sein Name ist vergessen —, der hatte sein ererbtes Gut einem adeligen 
Grundherrn zum Eigentum hingegeben, um dafür, ohne Knecht zu werden, 
doch den Schutz jenes Mächtigen zu gewinnen und sich und seinen Kindern 
wenigstens Nießbrauch und Zins von dem Besitz zu sichern, der noch 
seiner Väter volles Eigentum gewesen war. In den schweren Zeitläuften 
aber starb der Grundherr, und seine Sippe verdarb, und ein anderer 
gewann seine Güter und das frühere Gut jenes Mannes mit ihnen. Der 
neue Gutsherr wollte nun flugs den freien Mann, der mit seinem Grund 
und Boden auch schon die Hälfte der Freiheit weggegeben, ganz zu seinem 
Eigenen machen, wie das damals bei Tausenden geschah, und in der 
Verwirrung und Not der Zeit konnte der Bedrängte keinen Schutz sinden 
wider den neuen mächtigen Herrn. Da kam ihm ein verzweifelter Mut, 
daß er das Elend vorziehen wolle der Knechtschaft. Noch lebte in ihm 
der Stolz und Trotz des alten Germanen, und gar manchmal schaute er 
verächtlich auf diese neue Zeit, wo der streitbare Mann dem demütigen 
Mönch und dem zahmen Bauern zu weichen begann. Sein Großvater 
hatte als Knabe noch den Dienst der alten Götter im heiligen Haine 
gesehen. Welche Götter waren denn besser, die alten oder die neuen? 
Mit den alten Göttern war auch die gute alte Zeit entwichen. Und wie 
zur Strafe kamen jetzt lange Jahre der Trübsal heraufgezogen, und der 
neue Christengott hatte nicht Macht oder Lust, den Jammer von seinem 
Volke zu nehmen. So dachte der Mann aus dem Fulder Land. Er 
wollte sich selber helfen, mit oder ohne Gottes Hilfe, nach der Väter 
Weise kraft der eigenen Faust. 
Darum gürtete er eines Nachts sein Schwert und entfloh von seinem 
Gute, das nicht mehr sein war, um zugleich der Gewalt des neuen Herrn 
zu entfliehen. Er nahm nichts mit als seine drei köstlichsten Besitztümer, 
sein Weib, sein Kind und sein Schwert. Und weil es mitten im härtesten
	        
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