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daß ein wahrhaft nationales Werk geschaffen werden soll. Nur durch
Proklamierung dieses Prinzips ist eine Annäherung an den Süden an¬
zubahnen. Geschieht diese Anbahnung nicht, so wird die Kluft immer
größer werden, und ein neuer Bruderkrieg unter Einmischung des Aus¬
landes bedroht uns. Einem deutschen Kaiser kann sich auch ein König
von Bayern demnächst unterordnen, denn schon früher haben Könige den
Kaiser als ihr Oberhaupt anerkannt; allerdings wird Bayern stets eine
selbständigere Stellung einzuräumen sein, aber eine gewisse Unterordnung
unter das „Reich" wird es sich gefallen lassen müssen, dazu aber bereiter
sein, als zn einer Unterordnung unter Preußen.
c) 1870-1871.
<M). Proklamation dcs Großherzogs beim Ansmarsch der Oldenburger.
1870 Juli 28.
— v. Finckh, Geschichte des Infanterieregiments Nr. 91. Berlin 1881. S. 126. —
Bei dem Ausmarsch ans der Garnison rufe Ich Euch, Kameraden,
noch ein herzliches Lebewohl zn. Der Erbfeind bedroht wieder unsere
Grenzen. Der beginnende Krieg wird über die Zukunft unseres teuren
deutschen Vaterlandes entscheiden. Ein schwerer Kampf steht uns gegen
den kriegsgewohnten Feind bevor, doch freudigen Mutes gehen wir ihm
entgegen in demütigem, aber festem Vertrauen aus Gott, deu Lenker der
Schlachten, bauend ans unsere gerechte Sache, gehoben von dem erhebenden
Bewußtsein, daß ganz Deutschland sich wie ein Mann in opferwilliger
Treue erhoben hat, den plötzlichen Ueberfall abzuwehren. — Ihr seid
berufen, mit in den vorderen Reihen zn kämpfen. Ich weiß, daß Ihr
dieser Ehre würdig seid. Vergeht nicht, daß der christliche Krieger wie
dnrch Tapferkeit im Kampfe durch Ausdauer in Ertragung von Be¬
schwerden und Entbehrungen, vor allem aber durch strenge Manneszucht
sich auszeichnen muß, und daß er dem entwaffneten Feinde und den
friedlichen Einwohnern auch im Feindesland schonend begegnen muß.
Die oldenbnrger Truppe hat stets diese Soldatentugenden zu eigen gehabt.
Ein Hoch dem ruhmreichen königlichen Feldherrn, der alle vereinten
deutschen Heere zum Kampfe führt! Hoch unser teures Vaterland!
Oldenburg, den 28. Jnli 1870.
Nikolaus Friedrich Peter.
91. Ausmarsch. 1870 Juli 30.
— Günther Boschen, Kriegserinnerungen eines Einnndnennzigers. Oben1
bnrg 1897, S. 7. —
Um 4 Uhr: „Bataillon marsch!" „Tarn taut, Tant tarn." „Muß
i denn, muß i denn zum Stndle hinaus," so unter Trommelschall und
Pfeifenklang giugS über die Rosenstraße in festem Schritt und Tritt zum
Bahnhof hin. Die Straßen waren mit Menschen angefüllt, ein ununter¬
brochenes Hurra begleitete uus, am Bahnhof stand alles Kops an Kopf,