140 III. Im Westen.
Von einer Villenkolonie in Westflandern.
Es ist schon wieder einmal eine Woche herum, und wir
liegen immer noch hier in der schlammigen, elenden Gegend.
Hütten für den Winter haben wir uns gebaut. Fast einen
Meter und noch mehr Boden ausgehoben, aus gefällten
Bäumen und aufgeschüttetem Lehm, ebenso hoch, und darüber
ein Dach. Erst Baum an Baum — einen ganzen Wald haben
wir ruiniert — dann Stroh, Zweige, Reisig. Es ist vollkommen
dicht. Man wohnt wie zuhause. Große geräumige Zimmer
mit Fenstern (richtig mit Glas), Türen, Wandbrettern und so¬
gar mit eisernen Ösen, Schornsteinen, kurz allem Romsort der
Neuzeit. Eine kleine Villenkolonie. Oben im Baum prangt ein
künstlerisch geschmücktes Schild: „Waldfrieden. Ständige Siede-
lung im deutsch-belgischen Gebiet. Ständiges Laubhüttenfest.
Jeden Tag Gartenkonzert." Weiß der Teufel, was alles die
übermütige Bande noch angezeigt hat. Heute mittag hat eine
französische Granate eine der Hütten getroffen und in einen
qualmenden Aschenhaufen verwandelt. Das tut uns aber gar
nichts; wir sind übermütiger als je. Manche Kunstbauten
werden errichtet, besonders Villa „Waldesruh" mit dem an¬
gebauten Ziegenstall, und unsere Villa „Puppchen" sind luxuriös.
Neulich hat das sogar der General zugegeben, der vorbeikam
und sich unsere Gartenstadt ansah. Andere Truppen sollen her¬
geschickt werden, sagte er, um sich dort auch so fein einzubauen.
Zu tun gibt es nicht mehr allzu viel. Ich glaube, mir
haben sie bald mürbe. Nur die schwere Artillerie schießt noch
hin und her. Wir, die leichte Artillerie, haben meistens Ruhe.
Nun, mir haben es, glaube ich, auch mal verdient. Und kaum
ist die fchmere Arbeit alle, da mürbe die Bande mer rneitz mie
übermütig. Die Ziehharmonika hört man den ganzen Tag.
Auch die halbe Nacht lärmt und tobt es im Walde; gestern
haben mir sogar getanzt, allerdings ohne Damen. Nur ab und
zu müssen mir uns allerdings ducken oder hinmerfen, roenn uns
von drüben gar zu viel von den guten Sachen geliefert mird,
mie mir sagen. Aber sie treffen feiten, und Granaten find mir
ja gemohnt, die gehören schon sicher dazu, mie marmes Abend¬
essen. Spatzig sieht es aus, die ganze Gesellschaft mit den oer*
milderten, struppigen Vollbärten so ausgelassen zu sehen mie
die Schulbuben. Waschen, Rammen und sonstige ftultur*
Verrichtungen sind allerdings nach mie vor selten, aber mir
haben doch schon die Stiefel ausgezogen und getrocknet und so-