fullscreen: Zunächst für die unteren und mittleren Klassen der Gymnasien, mit Rücksicht auf schriftliche Arbeiten der Schüler (Theil 1, [Schülerband])

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18. Ländliche Scene nach einem Regen. 
(Briefform.) 
Du hast wohl gestern Nachmittag nicht gedacht, daß ich bei den 
Regenschauern auf dem Lande war. Der heitere Himmel des 
Morgens hatte mich schnell zu dem Entschlüsse gebracht, den längst 
versprochenen Besuch hei der Tante abzustatten. Ich bin auch nock- 
ganz damit zufrieden; denn für den Uebelstand, daß wir wenig int 
Freien sein konnten, wurden wir durch schöne Beleuchtungen und 
ländliche Scenen desto köstlicher belohttt. Höre nur eine! 
Gegen Abend stand ich nach einent kräftigen Regen am Fenster 
und sah in allerlei Gedanken nach Eurer Gegend hin. Da erhob 
sich der schöne Regenbogen mit seinem Wiederscheine; zwei glänzende 
Sonnenstrahlen durchkreuzten ihn bald nach seinem Entstehen und 
endigten gerade auf dem Punkte, wo ich in meinen Gedanken Deine 
Heimat sehen wollte. Es nahm sich auf den dunkeln Gewitterwolken 
majestätisch ans und wurde dadurch noch feierlicher, daß in dem 
nebenan liegenden Kapellchen von dem Lehrer und den Kindern laut 
gebetet wurde. Gerade vor dem Fenster war ein Bohnenfeld; das 
duftete nach dem Regen stärker und wurde von einem Streifen 
Sonnenlicht erhellt, daß die Blüten glänzten. Aber der übrige Theil 
des Gartetts und die Gärten alle bis an den Stromspiegel lagen 
im Schatten; auch jenseits desselben Eure Berge waren dunkel und 
kaum von den Wolken zu unterscheiden. In dem benachbarten 
Garten hatte ein alter Mann den ganzen Abend fleißig gearbeitet; 
als er aber den leuchtenden Regenbogen sah, hielt er ein und zog 
seine Mütze ab. Er kam mir dabei so ehrwürdig vor, daß ich hätte 
neben ihm stehen mögen; gewiß hätte er etwas Treffendes gesagt. 
Außer ihm sah ich keinen Menschen; denn die Frauen tmd Kinder, 
welche früher auch in der Nähe gearbeitet hatten, waren von dem 
Regen vertrieben worden. 
Wenn Du mir wiederschreibst, so sage mir doch, wo Du um 
diese Zeit warst. Ich meinte, Du hättest alles mit mir betrachtet, 
und dachte an manche Tage, wo wir Aehnliches zusammen gesehen 
haben. 
19. Der Birkenbaum. 
Atlf dem Gipfel eines hohen Berges stand ein alter Birken- 
baum; die Aeste desselben waren unversehrt und zeigten eine Fülle 
edlen Saftes; kein dürrer Zweig verunehrte die schöne Gestalt und 
den erhabenen Reichthum seiner Krone. Unter dem Dache der laub¬ 
reichen Wölbung stiegen hohe Grashalme aus dunkelgrünem Moose 
empor; aber kein anderer Baum stand in seiner verehrungswürdiget 
Nähe. Und doch holten die Leute alljährlich von diesem Baume den 
Samen vieler neuen Pflanzungen. Auch ich bin nüt meinem Vater
	        
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