Contents: [Geschichte des Alterthums] (Theil 1)

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die Curie zu gehen, als seine Gattin Calpurnia zu ihm kam und ihn 
mit Thränen bat, zu Hause zu bleiben, weil ein furchtbarer Traum sie 
die ganze Nacht über geängstigt habe. Er war schon halb überredet, als 
Decius Brutus, der Bruder des Marcus, mit mehreren Senatoren kam, 
um ihm, wie gewöhnlich, den Morgengruß zu bringen. Um nicht, weil 
die Wahrsagung vom 15. März bekannt war, furchtsam zu erscheinen, ließ 
er sich, leidend wie er war, in einer Sänfte forttragen. Noch auf dem 
Wege übergab ihm ein Sklave eine Papprusrolle, auf welcher die Namen 
der Verschworenen ausgeschrieben waren, er hielt sie für eine Bittschrift 
und legte sie ungelesen unter die übrigen Papiere, die er in den Händen 
hielt. Am Eingänge zur Curie stand der Wahrsager. „Nun, Alter, der 
15. März ist da!" rief Cäsar. „Noch nicht vorüber!" antwortete der 
alte Mann. 
Die Verschworenen, die nebst den übrigen Senatoren versammelt waren, 
harrten mit ängstlicher Beklommenheit seiner Ankunft; sein längeres Außeu- 
bleiben erregte die Besorgniß, daß der Anschlag verrathen sein möchte. 
Jetzt trat Cäsar herein; er setzte sich auf seinen Stuhl, der unter der 
Bildsäule des Pompejus stand; ein rachemahnendes Bild für die Ver¬ 
schworenen. Sogleich umringten diese den Diktator in gedrängten Hau¬ 
fen; sie ließen einen gewissen Tut lins Ci mb er vortreten, der für seinen 
verwiesenen Bruder bitten sollte. Alle unterstützten die Bitte, indem sie 
theils die Hände des Cäsar ergriffen, theils ihm Brust und Haupt küßten. 
Da er zuerst ihre Bitten zurückwies, daraus aber, als sie nicht nachließeu, 
mit Gewalt gegen sie aufstand, riß ihm Tullius mit beiden Händen den 
Mantel von der Schulter, und ein gewisser Casca, der gerade hinter ihm 
stand, zog zuerst den Dolch und verwundete ihn leicht an der Schulter. 
Rasch sich wendend, faßte Cäsar den Griff der Mordwaffe mit den Wor¬ 
ten: „Verruchter Casca, was beginnst Du?" In demselben Augenblicke 
aber drangen alle Verschworenen mit Dolchen auf ihn ein, und indem er 
umherschauend, wie die Andringenden abzuwehren, auch den Brutus mit 
gehobenem Dolche sah, rief er im Schmerzgefühle aus: „Auch Du, mein 
Sohn!" zog die Toga über den Kopf und gab sich willig den Stichen hin. 
Mit 23 Wunden bedeckt sank er an der Säule des Pompejus entseelt nieder. 
Die übrigen Senatoren, von Schrecken und Bestürzung ergriffen, 
wagten weder zu fliehen, noch dem Cäsar beizustehen. Ein Verschworener 
hatte den Antonius gleich beim Eintritt des Cäsar noch vor der Thüre 
in einem Gespräche zurückgehalten. Als die That vollbracht war, trat 
Brutus unter die Versammlung und wollte reden, allein die Senatoren 
flohen jetzt in größter Verwirrung, obschon keiner derselben verfolgt wurde. 
Zwar riethen die meisten Verschworenen, auch den Antonius zu tödten, der 
inzwischen entwichen war; allein Brutus setzte sich dagegen. Indessen wurde 
die L>ache in der Stadt ruchbar, viele Bürger eilten nach dem Orte, wo 
die Schreckensthat geschehen, andere verschlossen ihre Häuser und Buden; 
auf dem Markte und in den Straßen allenthalben Schrecken und Bestür- 
Oeser's Weltgeschichte. I. 5. Aufl. 23
	        
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