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oder weltlichen Chorfrauen st iften um den Himmel verdient
zu machen. Das Weltgetümmel einer kriegerischen, rohen Zeit trieb
viele Glieder gerade der hohen und höchsten Familien nach den stillen
Zufluchtsörtern der Frömmigkeit und Bildung. Sie sahen diese
Stalten mehr und mehr als die besten und ruhigsten Wittwensitze
an und stifteten solche meistenteils in dieser Mitabsicht. Sie waren
schon darum die glücklichsten und nützlichsten Einrichtungen ihrer Zeit.
„Die Töchter aber, welche darin unter der mütterlichen Aufsicht einer
solchen vornehmen Wittwe erzogen wurden, befanden sich", wie Möser
sagt, „au einer Art von Hofe und zugleich in der Schule einer wahren
Frömmigkeit uud Tugend, dergleichen außerhalb der Klöster damals
gewiß nicht anzutreffen war."
Eine der ältesten Gründungen christlicher Gesittung im Gebiete
des Sachseustammes, der so lauge gegen das Christentum sich gewehrt
hatte, um dann um so inniger sich ihm hinzugeben, ist das Benedik-
tinerinnenkloster Gandersheim bei Goslar. Der Stammvater des
sächsischen Kaisergeschlechts, Herzog Ludolf hatte dasselbe mit seiner
Gemahlin Uta gegründet und deren drei Töchter Haduuard, Gerberga
und Christina waren nach einander die ersten Äbtissinnen des Klosters.
Seit der Zeit blieb das Kloster ein Familienstift des sächsischen
Fürstengeschlechts. Nachdem zwei Äbtissinnen aus nicht fürstlichem
Geschlecht dem Kloster vorgestanden hatten, trat im Jahre 959 wieder
eine Fürstentochter in das Amt der Äbtissin ein, es war Gerberga,
die Tochter des Bayernherzogs Heinrich, des Bruders Kaiser Otto I.
Wie ihre Schwester Hadwig, die auf dem Hohentwiel die Dichtungen
Virgils las, war auch Gerberga durch hohe geistige Gaben ausgerüstet
und unter ihrer Leitung erreichte das Kloster Gandersheim dnrch seine
strenge Zucht, wie durch die wissenschaftliche Bildung und Thätigkeit
ganz außerordentliches Ansehen und genoß weitverbreiteten Ruhm.
Das meiste zu dieser Berühmtheit trug aber die bedeutende latei¬
nische Dichterin Roswitha bei. Ihre Werke stellte man den Waffen-
thaten Kaiser Otto I. als ebenbürtig zur Seite, und der Gelehrte
Willibald Pirkheimer meint, wenn Sappho die zehnte der Musen sei,
so sei Roswitha die elfte.
Sie kannte die römischen Dichter uud beschäftigte sich viel mit den
Kirchenvätern. In Grammatik, Rhetorik und Dialektik wie in Arith¬
metik, Geometrie, Musik und Astronomie war sie gleich tüchtig und
mancher namhafte Gelehrte der Mönchsklöster stand ihr weit nach.
Aber geradezu hervorragend sind ihre dichterischen Werke. Zunächst
bearbeitete sie eine Reihe von Legenden, und Scherer sagt in seiner
Literaturgeschichte „Wie Shakespeare Novellen, so bearbeitete Roswitha
Legenden". Sie schrieb ferner sechs Dramen ganz in der Form des
Dichters Terentins. „Ihr Dialog ist lebhaft, nie werden Reden zu
lang, nie drängt sich Frömmigkeit lästig auf, sie weiß ihre Scenen