44 8. Vom Glauben und Götterdienst der alten Deutschen.
damit beschüttet." Nach diesen Worten zog es weiter. Die
Mutter aber ging heim, trug hinfort still ihr Leid und
weinte nicht mehr.
6. Vom Glauben und Götterdienst der alten
Deutschen.
Ein schlichtes, unverdorbenes Heldenvolk waren unsre
Ahnen, ausgestattet mit den edelsten Gaben des Geistes und
Herzens und von der Gottheit zu hohen Dingen ausersehen.
Deshalb hatte ihnen auch Gott einen wundersamen Glauben
ins Herz gelegt, der freilich durch menschliche Irrtümer viel¬
fach wieder entstellt und von der Erhabenheit des Christen¬
tums weit entfernt war, der viel Wildes und Unheimliches
enthielt, der aber doch auch beweist, wie tief und innig der
Deutsche fühlte, wie ernsthaft er grübelte über die wunderbaren,
geheimnisvollen, unerklärlichen Erscheinungen in der gewaltigen
Natur, die ihn rings umgab. Wie sind Erde, Sonne, Mond
und Sterne entstanden? wer hat sie geschaffen? wer erhält
sie? wer gebietet der Sonne zu leuchten? wer dem Blitze zu
zünden, dem Donner zu krachen? wer dem Leben zu entstehen
und zu vergehen? Wer läßt den Regen herniederrauschen?
den Sturm heulen? Licht und Finsternis, Wärme und Kälte
wechseln? Vernehmlich sprach es im Herzen des einfachen
Menschen: „Das müssen geheimnisvolle, unsichtbare Mächte
sein, Wesen, größer und gewaltiger als wir Sterblichen."
Im Donner vernahm der Mensch die Stimme des zürnenden,
im Säuseln des Windes den leisen Schritt des segnenden
Gottes. Die Wolke bildete sein lebhafter Geist zu gespenstigen,
riesigen Gestalten, zum verhüllenden Mantel oder zum flie¬
genden Rosse der Gottheit, deren ewig klares Auge als
Sonne herniederschaute. Der Wechsel von Tag und Nacht,
von Sonne und Winter erschien als ein ewiger Kampf
zwischen hellen und finsteren, guten und bösen Mächten, zwischen
Göttern und Dämonen. So hat sich aus kindlich unwiflender
Naturbetrachtung aller Götterglaube entwickelt und unter allen
Heidenvölkern ist keines zu einer so großartigen, sinnvollen,