§ 22. Das vatikanische Concil. 237 
bella verjagt, Oestreich gelähmt, Napoleon zu Zugeständ¬ 
nissen an die Liberalen genöthigt war, konnte man in der 
Jesuitenzeitung Febr. 69 lesen, was dieses Concil aus¬ 
zurichten bestimmt war: die Unfehlbarkeit des Papsts, 
die leibliche Himmelfahrt der Maria, und die Lehren des 
Syllabus sollten als Glaubenssätze verkündigt werden. 
Die Spitze dieser Neuerungen war so deutlich gegen Deutsch¬ 
land gerichtet, daß der bairische Minister Fürst Hohen¬ 
lohe Apr. 69 sich bewogen fand, die Mächte vor den 
Übeln Folgen eines solchen Concils zu warnen; doch sag¬ 
ten die Minister, Beust voran, sie köunen's abwarten. 
Die Griechen und die Protestanten wurden im Voraus 
vom Papst eingeladen sich zu unterwerfen, was sie in 
verschiedener Weise ablehnten. Die deutschen Bischöfe be¬ 
mühten sich noch in einem Hirtenbrief von Fulda ans 
1. Sept. 69 ihre Herden zu versichern, daß gewiß keine 
neuen Glaubenslehren eingeführt werden, wogegen das 
Organ des Papstes auf die Döllingersche Schule in Mün¬ 
chen als den Sitz der deutscheu Rebellion gegen das Papst¬ 
thum hinwies. Uebrigeus kamen auch aus Frankreich 
warnende Stimmen; der edle Montalembert sagte ster¬ 
bend: Ihr errichtet ein Idol im Vatikan; und Gratry 
wagte auszusprechen: Gott bedarf eurer Lügeu nicht. 
Am 8. Dez. 69 wurde das Concil durch eine gran¬ 
diose Procession eröffnet, in strömendem Regen. Es war 
zahlreicher besucht als irgeub eines der frühereu, 779 
Kirchenfürsten waren zusammengekommen. Da erschienen 
die bärtigen majestätisch ruhigen Bischöfe des Morgen- 
landes neben den feinen Gesichtern gebildeter Engländer, 
Franzosen, Deutschen und Nordamerikaner, unb gar 
vielen benffauten Romanen; apostolische Vikare (b. h. 
Bischöfe in spe) fanben sich in übergroßer Menge ein, 
300 arme Bischöfe waren ganz auf bes Papstes Bewir- 
thung angewiesen. Es freute Pio thuen allen an diesem 
Tage sagen zu können, „wie nichts stärker sei als bie 
Kirche." Unb wenn bie Kirche ber Papst ist, so erwies 
sie sich dießmal allerdings stark im Knebeln und Bändigen
	        
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