Object: Von den Anfängen der Germanen bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges : Lehraufgabe der Unterprima (Teil 8)

§ 2. Zustände bei den alten Germanen. 5 
der Hausvater der Familie gegenüber eine unumschränkte Gewalt. Alle 
Hausgenossen standen unter seiner Gewalt und seinem Schutz, der Munt*); 
er nahm — eine Ausnahme machten gewöhnlich nur wohlhabende Adlige 
— nur ein Weib, das in früherer Zeit durch Raub, später durch Kauf er- 
worben wurde2). In schwerer Bedrängnis, z. B. bei Verschuldung, durfte 
er Weib und Kind verkaufen, die Gattin bei nachgewiesenem Ehebruche sogar 
töten. Aus der väterlichen Munt entlassen wurde der Sohn, wenn er in 
ein Gefolge eintrat oder einen eignen Hausstand gründete, die Tochter, 
wenn sie heiratete. 
2. Das Rechtswesen. Die Keimzelle des germanischen Rechtslebens ist 
die Sippe. Zwischen den Blutsverwandten besteht der Zustand gegenseitiger 
Unverletzlichkeit, des Friedens; „Frieden" ist geradezu gleich „Recht". Jedes 
Vergehen ist ein Friedensbruch; erfolgt er zwischen einzelnen, so ist 
die Rechtsfolge die Fehde, d. h. der „Haß", an dem die ganze Sippe des 
Geschädigten, ohne überhaupt die Schuldfrage aufzuwerfen, teilnimmt und 
dem, wenn es sich um einen Mord handelt, nur durch den Tod des Mörders 
oder des besten Mannes ans seiner Sippe Genüge geschieht; denn nur so, 
glaubte man, finde die Seele des Ermordeten Ruhe. Doch konnte an Stelle 
dieser Sühne das Wergelt (= „Opfer für den Mann") treten. Die Buße 
war bei geringeren Vergehen die Regel, sie wurde in „Viehhäuptern" ge- 
leistet, wobei die Kuh die Werteinheit bildete. Später stand es dem Verletzten 
nicht mehr frei, zwischen Fehde und Buße zu wählen, sondern er konnte nur 
die letztere verlangen. Nur wenn der Geschädigte darauf antrug, zog der 
Staat, in diesem Falle das Gau g er ich t, die Angelegenheit vor seine 
Schranken, doch nur um die Schuld festzustellen und die Höhe der Buße 
abzumessen. Die Eintreibung war wiederum Sache des Klägers und seiner 
Sippe. Wer sich der Zahlung der Buße entzog oder beim Eintreiben fort- 
gesetzt Widerstand leistete, verfiel der Fried losig keit. Er war damit aus 
Sippe und Volk gestoßen, sein Haus wurde niedergebrannt, seine fahrende 
Habe vom Staate eingezogen; wer ihn traf, sollte ihn töten. — Nur wenn 
das Vergehen ein Bruch des Friedens war, der das gesamte Volk ver- 
bindet, ahndete die Volks gemein de als Wächterin der Rechtsordnung 
deren Verletzung. Entsprechend dem Zwecke des Staates handelte es sich 
dann um militärische Vergehungen, wie Feigheit und Verrat, Überläuferei 
und „Harisliz". Die Strafen waren Friedlosigkeit oder Tod; der letztere 
wurde von der Hand des Priesters vollzogen. 
3. Das Heerwesen. Alle wehrhaften Männer der Volksgemeinde bildeten 
zugleich den Heerbann: „Volk" und „Heer" war gleichbedeutend. Der Gau- 
vorstand führte seine „Hundertschaft" ins Feld, die, nach Sippen und 
Familien aufgestellt, eine keilförmige Einheit bildete. Die oberste Leitung 
hatte, wo es keinen König gab, der für den betreffenden König gewählte 
Herzog. — Das Heer war bei den Ostgermanen, soweit sie noch nomadisch 
1) Unter ihr stand auch der Gast, für dessen Verhalten der Gastgeber verant- 
wortlich war. Aus diesem Grunde begleitete er ihn bis zum nächsten Hause. 
2) Die „Braut" ging durch Zahlung eines Kaufgeldes an den Bater oder 
Vormund in die „Munt" des Mannes über und wurde durch den Ring an ihn ge- 
fesselt.
	        
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