Full text: Aus der deutschen Geschichte bis zum Ausgange des Mittelalters (Teil 1)

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Könige Domaldi, den fein eigen Volk zum Mare führte, um ihn als 
den besten Mann des Volkes den Göttern zu opfern, damit sie die Hungers¬ 
not vom Lande nähmen? Und als das (Dpfermesser das Leben des Königs 
selber durchschnitten hatte, wich der Hunger vom Lande." 
Vas sprach der Mann mit dem glühenden Rüge des Wolfes, und, 
wie ergriffen von der Vollkraft tierisch-menschlicher Leidenschaft, führte 
er hiebe mit dem Schwerte durch die Luft. Und abermals versagte dem 
Weibe das EDort der Erwiderung. 
3a, das waren wildgemutete Menschen, die noch die ganze Wucht 
eines ungebrochenen Gefühles im Leibe spürten, zu selbiger Zeit/wo selbst 
ein König mit gebrochenen Rippen sich doch immer noch Manns genug 
fühlte, ein ganzes großes Königreich zu zerbrechen. 
Und aufs neue und immer schrecklicher erhub der Mann seine Stimme: 
„Du hast nicht vernommen, Weib, was vorgestern der Bauer erzählte, 
der uns zum letzten Male speiste. So höre jetzt! Der Erzbischof Rhaban 
sättigt auf seinem Hofe zu Winkel täglich Hunderte von hungrigen, die 
in dieser schweren Seit aus der ganzen Gegend dort zusammenströmen. 
Nun geschah es unlängst, daß auch ein fast verhungertes Weib zu ihm 
kam mit einem kleinen Knaben. Rls sie aber die Schwelle des rettenden 
Hauses überschritt, stürzte sie zusammen vor Schwäche und hauchte den 
Geist aus. Das Kind aber lag an der Brust der toten Mutter, und 
die härtesten Männer konnten das nicht schauen ohne Tränen. So fiel 
der Stamm, damit das Reis gerettet werde, hätte nicht vielmehr die 
Mutter das Kind opfern sollen, daß sie leben geblieben wäre, sich und 
ihrem Mann und andern Kindern?" 
Da kam dem Weibe die Sprache wieder: „Rein!" rief sie und richtete 
sich hoch auf, ,,selig die Mutter, die so ihr Leben gegeben für ihr Kind! 
3um Fimmel schwebend wird ihre Seele den Knaben geschaut haben, 
der noch trinken wollte an der toten Brust, und der nun doch geborgen 
war. Du sagst, vor Schwäche habe sie den Geist aufgegeben ? © nein! 
3m Übermaß der Freude zersprang ihr das herz, als sie nach Todesmühen 
ihr Kind nun endlich doch gerettet sah, und, von Wonne bewältigt, hauchte 
sie das Leben aus." 
Der Mann versank in tiefes Schweigen. Er mußte sein Gesicht ver¬ 
hüllen und abwenden von dem Weibe, das, friedlich auf ihr schlafendes 
Kind niederblickend, am Feuer saß. 
Endlich raffte er sich wieder auf. Mit großen Schritten ging er 
am verglimmenden Feuer auf und nieder, und noch wilder als vorher 
rollten seine Rügen. 
„wir mögen jetzt nahe der Stunde sein," rief er, „da das alte 
3ahr dem neuen die Hand reicht. Die Pfaffen, wenn sie die 3ahre zählen, 
sagen: im 3ahre des Herrn! — aber bei diesem gottverlassenen 3ahr 
voll Schmach und Elendes sollte man billig sagen: im 3ahre des Teufels!" 
„Und dennoch," sprach milde das Weib, „hat das eine 3ahr, in 
dem der Herr als Mensch den Menschen geboren wurde, einen solchen 
Überschuß des Heils über alle folgenden 3ahre gebracht, daß auch das 
schlimmste 3ahr nach der Geburt des Herrn immer noch ein 3ahr des 
Herrn sein wird." 
Der Mann nahm das Kind vom Schoße der Mutter. „Die Stunde 
ist kostbar! Künftiges schauet in der letzten 3ahresstunde, wer sich mit
	        
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