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Die Weitläufigkeit und Endlosigkeit des Verfahrens ging über jede
Vorstellung hinaus; ein einziger Prozeß wegen einer reichsgräflichen Be¬
sitzung hatte nicht weniger als 188 Jahre gedauert. In einem Falle
Erden 684 Zeugen vernommen, deren aussagen auf 10 864 Blättern
zu lesen standen.
Es konnte nicht ausbleiben, daß infolge solcher Mißbrauche das Rn-
sehen des Reichsltammergerichts immer tiefer sank. Rber auch sein Heben-
buhler, der Reichshofrat in Wien, hatte sich nichts weniger als gedeihlich
entwickelt. Ruch hier war das _ vertrauen auf die Rechtspflege völlig
entschwunden. Schon um die ITTitte des Jahrhunderts galt es als eine
bekannte Sache, daß bei diesem trägen und geldgierigen Gerichtshöfe das
Recht verraten und verkauft sei.
3n dem ganzen Gerichtshöfe zählte man nur drei fleißige Leute, und
es galt als sicher, daß in Wetzlar, wo man sich doch durchaus nicht über¬
mäßig anstrengte, in einem Jahre noch mehr geleistet wurde als zu Wien
in sechs. — Nach A. Sach.
9V. Die Schicksale der deutschen Reichskleinodien.
Das neu gewählte Oberhaupt des Reichs pflegte bis zum Husgang
des Mittelalters dreimal gekrönt zu werden: einmal zu Rachen auf dem
Stuhle Karls des Großen mit der deutschen Königskrone, sodann zu Monza
oder Mailand mit der eisernen Krone der Lombardei, endlich zu Rom
über dem Grabe des Rpostelfürsten mit der römischen Kaiserkrone.
Unter den Karolingern kann an eigne vererbliche Reichsinsignien kaum
gedacht werden. Erst unter den Sachsenkaisern, zuerst unter Heinrich I.,
dann reicher unter den (Dttonen tritt die Kunde von solchen auf. Bis
zu den Tagen der Hohenstaufen bewahrte jeder der gekrönten Besitzer
die Insignien am eignen (Drte auf; so werden genannt unter den säch¬
sischen Kaisern: Merla oder Tilleda und Kpffhaufen; das Reichsschloß
ZU Nürnberg, die kaiserliche Pfalz Hagenau im (Elsaß. Unter den Hohen¬
staufen das feste Reichsschloß Trifels, welches diese Auszeichnung bis zum
Interregnum genoß.
Friedrich II. verlor bei dem Überfall zu Dittoria einen Teil
der Krönungsinsignien an die Bewohner von Parma; ein anderer Teil
ging durch Brand bei der Hochzeit des gekrönten Wilhelm von Holland
zu Rachen zu Grunde. (Erstere ersetzte Friedrich II. aus Sizilien, woher
die sarazenischen Ornamente und Inschriften auf den deutschen Reichs-
Kleinodien sich erklären, letztere ließ Richard von Tornwallis für seine
Krönung neu aus England kommen.
Rudolf von Habsburg brachte sie auf sein festes Schloß Kqburg in
Sicherheit; Rlbrecht I. ließ sie dort. Bann hatten sie vielerlei Rufent¬
haltsorte : unter Ludwig dem Bayern in München, unter Karl IV. auf
dem hradschin zu Prag, unter Wenzel auf Schloß Karlstein in Böhmen,
unter Sigismund gar in Ungarn. Das erregte jedoch den Unwillen der
deutschen Fürsten und auf ihr Rndringen wurden 1424 die deutschen Reichs¬
kleinodien von zwei Nürnberger Ratsherren auf einem unscheinbaren Fischer¬
wagen nach Nürnberg gebracht.
hier ruhten sie nun unangefochten, obschon oft Gegenstand des Streites