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So siehst du's hier, so siehst du's dort; überall dasselbe harmlose
Landschaftsbild, überall dieselbe einfache, kleine Natur. Eine einförmige
Welt, wirst du sagen. Ja, Mann, aber eine fruchtbare, gesunde, fröhliche
Welt und von einem kräftigen, wackern Volke bewohnt — ja, das wirst
du, mein Pommern!
4.
Und in einem dieser Dörfer ward ich einst geboren. Dort liegt es.
Ich sehe es vor mir. Es ist wie alle andern — so sagt man; aber ich
glaube es nicht.
O, es ist schön, es ist wunderbar schön!
Wo sind die Wiesen so grün, wo leuchtet der Himmel so blau, wo
scheint die Sonne so strahlend wie in meinem Heimatdorf, wie in dem
Dorf, in dem ich geboren? Du, sage es mir! Wo blühen die Blumen
so duftig, wo singen die Lerchen so jubelnd, wo sind die Menschen so
schön und so gut, als hier, als bei mir?!
Ich weiß nicht — aber wenn ich durch unsre Dorfstraße gehe, oder
ans unsrer Wiese spiele, in unserm Garten mich jage — ich bin ein fröh¬
liches, übermütiges Kind — ach, wie oft drücke ich meine kleine Hand auf
mein pochendes Herz, daß es nicht springen soll vor eitel Jubel und
Stolz, eine solche Heimat zu haben!
Ich denke es heute wieder, und wieder fühle ich, wie mir das Herz
aufgeht, und ich presse meine Hand ans mein zuckendes Herz: es soll noch
halten, ich möchte noch leben, ich möchte noch einmal in meiner Erinnerung
ein Kind sein.
5.
Leise! Leise! Weckt mich nicht, ich schlafe, ich träume.
Bleibe, ach bleibe, du lieblicher, lächelnder Traum.
Ich sehe die alte Giebelstube, den dunkeln Kachelofen und die blauen
Tapeten — wie gut keune ich die! In der einen Ecke, es ist die Ecke
beim Ofen, steht das Bett, und in dem Bette liegt ein Knaoe. Er schläft.
Ich stehe daneben und beuge mich herab und blicke in das rosige, freund¬
liche Kindergesicht.
Ist es möglich — jener schlafende Knabe wäre wirklich ich selbst?
Diese weißen Haare, diese vergrämten Züge, dieses zuckende Herz, können
die einem Manne gehören, der jemals ein solches Kind war, wie es hier
vor mir liegt, harmlos und lächelnd, so friedlich, so still?!
Das ist ein Leben! Das ist ein Menschenleben! So fängt es an
wie ein sonniger Frühlingstag, um im wütenden Herbststurm oder im
eisigen Winter zu enden.