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leitet hinter dem Schlosse an die Mauer zu legen und solche zu ersteigen.
Nachdem bereits der Fahnenträger und 4.5 Mann so in die Stadt ein¬
gedrungen waren und mehrere noch auf der Leiter standen, brachen die
Sprossen derselben. Der Schloßtürmer bemerkte ein ungewöhnliches
Geräusch und warf brennendes Stroh in den Hof hinab, worauf er,
von dem Überfall gewappneter Feinde überzeugt, seine Signale in die
Stadt gab. Nun versammelten sich die Bürger mit Harnischen und Mehren
und drangen aus die im Schloßhofe eingeschlossenen Feinde ein. Sechs
Stunden wehrten sich diese mit größter Tapferkeit. Als aber der Türmer
mit einem Seile fünf Bürger auf den Turm zog, die von oben herab
mit Steinwürfen und Schüssen die Feinde bedrängten, mußte sich die
Schar ergeben. Der Markgraf mußte nach vergeblichem Stürmen ohne
Banner und ohne die gefangene Mannschaft abziehen. —
Genug der Beispiele aus jenen unruhigen Tagen! Sie ließen sich
noch um viele vermehren; doch wie verschieden die einzelnen Kämpfe
auch endeten, in einem Punkte blieben sie alle gleich: Für die Kauflust
der Herren hatten stets die Untertanen zu büßen. —
5, Das mittelalterliche Würzburg.
A. Der steinerne Hing.
Das Herrscherhaus der Karolinger stand am Aussterben; Deutsch¬
lands König war ein Kind. Da fiel das räuberische Volk der Magyaren
oder Ungarn, das sich in den Steppen an Theiß und Donau als Nachfolger
der Hunnen und Avaren niedergelassen hatte, in die Gaue des ostfrän-
fischen Reiches ein. Der hunnische Schrecken erneuerte sich. Auf ihren
kleinen Pferden jagten die häßlichen Gesellen durch das Land und ver¬
heerten alles mit grenzenloser Wut. Die Bevölkerung quälten sie mit un¬
menschlichen Grausamkeiten. Mord und Brand bezeichneten die Straßen,
die sie gezogen waren. Im Jahre 9^0 drangen sie bis würzburg vor
und vernichteten Stadt und Land mit Feuer und Schwert.
3n jener Zeit wurden viele Orte mit Mauern, Türmen und Gräben
umgeben, da die Ungarn feste Plätze nur selten oder gar nicht angriffen.
Es ist höchst wahrscheinlich, daß schon unter Bischof Dietho nach dem
Jahre 92- der Anfang mit der Befestigung der Stadt Würzburg gemacht
und diese unter den nachfolgenden Bischöfen dieses Jahrhunderts vollendet
wurde. Mit urkundlicher Sicherheit läßt sich sagen, daß im Jahre ^0^8
Würzburg schon eine nach der Sitte des ^0. Jahrhunderts mit Ring¬
mauern versehene Stadt war.
Die älteste Mauer der Stadt Würzburg umschloß ein Fünfeck. Sie
begann am Main in der Nähe des Kranens und zog in der Richtung der
heutigen Juliuspromenade, Theaterstraße, Hofpromenade, der Neubau¬
straße und der unteren Johannitergasse bis wieder an den Main. Starke