Die Entwicklung Brandenburg-Preußens.
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die Hoffnung auf die oranische Erbschaft als der Zug zum Kaiser;
jedenfalls tat auch das englische Gold bei dem Nachfolger Dankel-
manns, dem allmächtigen Wartenberg, feine Schuldigkeit. Unter dem
tapferen Fürsten Leopold von Dessau zeichneten die preußischen Truppen
sich aus in den Schlachten bei Höchstädt (1704) und Turin (1706),
und unter Lottum erwarben sie sich Ruhm bei Ramillies (1706),
Oudenarde (1708) und Malplaquet (1709).
Bei manchen politischen Entschlüssen der letzten Jahrzehnte hatte
in Brandenburg-Preußen die Aussicht auf die oranische Erbschaft
die Richtschnur gebildet. Als Sohn Luise Henriettens von Oranien
war Friedrich beim Tode des kinderlosen Wilhelm III. von Dranten
erbberechtigt, da feine Mutter die älteste Tochter Friedrich Heinrichs
von Oranien war und dieser auch bereits entsprechende Anordnungen
getroffen hatte. Kam auch für diese Erbfolge die Statthalterwürde
in den Niederlanden und die Krone Englands kaum in Betracht, so
waren doch die reichen oranifchen Hausgüter — das Fürstentum Orange
in Südfrankreich, die Hoheit über Neuchatel in der Schweiz, die Graf¬
schaften Valendis (Schweiz), Lingen und Mors sowie zahlreiche Grund-
herrfchaften in der Freigraffchaft Burgund und in den Niederlanden
— begehrenswert genug. Wilhelm III. hatte aber durch fein Testament
einen entfernten Verwandten, den unmündigen Johann Wilhelm von
Naffau-Dietz — den Enkel von Friedrich Heinrichs von Oranien zweiter
Tochter — ernannt. Keinesfalls konnte Friedrich I. gesonnen fein,
zugunsten des Nassauers auf das Erbe zu verzichten, um so weniger,
als der Kronvertrag ihm die Hilfe des Kaisers sicherte. So zog er
Lingen alsbald ein, gewann im weiteren Verlause des Spanischen
Erbfolgekrieges noch Mors, Neuchatel und Valendis. trotzdem die
kaiserliche Politik den Gebietserweiterungen Preußens mehrfach ener¬
gischen Widerstand entgegensetzte. Auf die übrigen Teile der oranifchen
Erbschaft mußte Friedrich verzichten, doch gewann er noch durch
französisch-englische Unterstützung das Quartier Obergeldern, teils als
Entschädigung für Kriegskosten, teils wegen alter jülich-klevifcher
rechtlicher Beziehungen.
Die Verpflichtungen des Kronvertrages, die Friedrichs Teilnahme
am Spanischen Erbsolgekriege erheischten und sein Streben nach dem
Erbe der Oranier unterstützten, banden dem Könige die Hände im
Nordischen Kriege. Hier fehlt jedenfalls feiner Politik die nötige
Festigkeit und zielbewußte Klarheit, mit denen er in dieser unruhigen
Beit bessere Erfolge hätte erzielen können. Friedrich I. starb, bevor
der Spanische Erbfolgekrieg endgültig beendet war. Diesen beschloß
der Friede zu Utrecht (11./4. 1713): Friedrich Wilhelm I.