348 X. Gedanken und Stimmungen. 
127. Das treue Äerz. 
1. Ein getreues Äerze wissen, 
hat des höchsten Schatzes Preis. 
Der ist selig zu begrüßen, 
der ein treues Äerze weiß. 
Mir ist wohl bei höchstem Schmerze; 
denn ich weiß ein treues Äerze. 
2. Läuft das Glücke gleich zuzeiten 
anders, als man will und meint, 
ein getreues Äerz hilft streiten 
wider alles, was ist seind. 
Mir ist wohl bei höchstem Schmerze; 
denn ich weiß ein treues Äerze. 
3. Sein Vergnügen steht alleine 
in des andern Redlichkeit, 
hält des andern Rot sür seine, 
weicht nicht auch bei böser Zeit. 
Mir ist wohl bei höchstem Schmerze; 
denn ich weiß ein treues Äerze. 
4. Gunst, die kehrt sich nach dem Glücke, 
Geld und Reichtum, das zerstäubt, 
Schönheit läßt uns bald zurücke, 
ein getreues Äerze bleibt. 
Mir ist wohl bei höchstem Schmerze; 
denn ich weiß ein treues Äerze. 
5. Eins ist, da sein und geschieden; 
ein getreues Äerze hält, 
gibt sich allezeit zusrieden, 
steht aus, wenn es niedersällt. 
Ich bin ftoh bei höchstem Schmerze; 
denn ich weiß ein treues Äerze. 
6. Nichts ist süßers als zwei Treue, 
wenn sie eines worden sein. 
Dies ist's, des ich mich erfreue, 
und sie gibt ihr Za auch drein. 
Mir ist wohl bei höchstem Schmerze; 
denn ich weiß ein treues Äerze. 
Paul Fleming.