3. Die Angeln und Sachsen.
nach Christi Geburt kaum für Menschenwohnungen geeignet glaubte. Nur an den Flüssen,
den tief ins Land einschneidenden Meeresbuchten und den Küsten herrschte von jeher ein
reges Leben.
Mitten im Meere, auf einsamen Inseln, lagen auch die heiligen Wohnstätten
mancher ihrer Gottheiten. Wie alle germanischen Stämme, verehrten auch sie in der eisigen
Natur ihrer Wohnorte das allbelebende Licht Baldur, Jultag — Weihnachten), den „watenden“
Sturmgott Wodan (Odin), den blitzenden Donar (Thor), die Völker an der Ostsee noch
insbesondere die Nerthus, die allnährende Mutter Erde, und glaubten, daß sie sich der
menschlichen Angelegenheiten annehme und unter den Völkern ihren Umzug halte. Auf
einer Insel des Meeres (vielleicht Alsen d. h. die Insel im Elfensunde) stand ein heiliger
Hain und in ihm ein mit Decken verhüllter Wagen, den allein der Priester berühren durfte.
Doch wenn dieser verlündigte, die Göttin sei herabgestiegen auf ihren Wagen, bespannte
er ihn mit geweihten Kühen und geleitete ihn mit tiefster Ehrfurcht. Dann gab es frohe
Tage, und festlich geschmückt waren alle Orte, welche die Göttin ihrer Einkehr würdigte.
Dann zogen die Bewohner in keinen Krieg, ergriffen keine Waffen; verschlossen war alles
Eisen, und man kannte nur Ruhe und Frieden. War aber die Göttin des Umgangs mit
den sterblichen Menschen müde, so führte sie der Priester in den heiligen Hain zurück. Als—
bald wurde der Wagen, die Decken, ja, wenn man es glauben darf, die Gottheit selbst
in einem geheimnisvollen See gebadet; Sklaven verrichteten den Dienst, die darauf der
See verschlang. Auf Helgoland (— Heiliges Land), der Felseninsel in der Nordsee, lag dagegen
das Volksheiligtum der marsch- und inselbewohnenden Friesen, die in späterer Zeit zugleich mit
dem Namen Sachsen umfaßt wurden. Um den Tempel ihres Gottes Fosite, heißt es, weideten
heilige Tiere, die niemand auch nur berühren durfte, und eine Quelle sprudelte hervor, aus
der man nur schweigend schöpfte. Jeder, der die Heiligkeit des Ortes gering achtete oder
irgend etwas daselbst berührte oder verletzte, ward mit einem grausamen Tode bestraft.
Das Meer war die Heimat unserer heidnischen Vorfahren; schon früh erschienen sie
als kundige Seefahrer, und ihr Name war den Küstenbewohnern ein Schrecken; denn
mehrere Jahrhunderte lang nach Christi Geburt plünderten und verheerten sie unter ihren
Seekönigen (Vikinge — Buchtenplünderer) alle Küsten der westlich gelegenen Lünder. Von
der aus blutigen Kämpfen heimgebrachten Beute versenkten sie wohl einen Teil als Spende
für die siegverleihenden Götter in heilige Seeen oder Buchten. Aus dieser Zeit werden auch
die zahlreichen Altertümer (zwei große Ruderboote, Waffen, Kleidungsgegenstände, Schmuck—
sachen, römische Münzen u. a) stammen, die, in den Jahren 1856 — 63 in den Torfmooren
bei Süderbrarup in Angeln und bei Ost-Satrup im Sundewitt gefunden, jetzt einen Teil
des sehenswerten Kieler Museums bilden.
In der Mitte des fünften Jahrhunderts nach Christi Geburt waren fast alle deut⸗
schen Stämme in wilder Bewegung; nacheinander überschwemmten sie die Grenzländer
des machtlosen römischen Reiches. Nur einen Mann gab es, der das gesunkene Reich
wieder aufrichten konnte, den Vormund des schwachen Kaisers: Astius war sein Name.
Um Italien vor den wandernden Hunnen unter ihrem König Attila zu schützen, hatte er
auch Britannien von Truppen entblößt. Von dem Schutz der römischen Legionen verlassen,
waren die Bewohner der Insel, die längst die Führung der Waffen verlernt hatten, eine
leichte Beute jedes Feindes. Von ihren Nachbarn, den räuberischen Pikten und Skoten,
wurden sie von Westen und Norden her bedrängt, und im Osten lag alles Land den Sachsen
offen. Hilflos und verlassen, wandten sie sich (im Jahre 446) an Aötius um Beistand.
„Die Barbaren“, meldeten sie ihm, „treiben uns zum Meere, das Meer zurück zu den
Barbaren; wir werden erwürgt oder müssen ertrinken.“ Von Aötius zurückgewiesen, wandten