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Als sie die Glieder der Ruhe übergeben hatten, der Mann 
Gottes sich aber still erhob und abermals vor jenem Heiligtum 
im Gebet verharrte, horchte sein Reisegefährte im Geheimen. 
Unterdes näherte sich ein Bär vom Gebirge und verschlang die 
Überreste ihres Mahles; zu ihm sprach Gallus, der Erwählte 
Gottes: „Bestie, im Namen unseres Herrn Jesu Christi befehle 
ich dir, nimm Holz und wirf es ins Feuer." Der Bär kehrte 
sofort um, brachte einen sehr schweren Klotz und legte ihn ins 
Feuer: zum Lohn hierfür ward ihm vom Manne Gottes Brot 
dargereicht, jedoch der Befehl beigefügt: „Im Namen meines 
Herrn Jesu Christi, weiche aus diesem Tale. Die Berge und 
Hügel der Wildnis mögen dir freistehen, jedoch verletze hier nicht 
Vieh oder Menschen." Als sein Reisegefährte dieses gesehen, 
stand er auf, warf sich jenem zu Füßen und sprach: „Jetzt weiß 
ich, daß der Herr mit dir ist, denn die Tiere der Wildnis ge¬ 
horchen dir." Er aber antwortete sogleich: „Hüte dich, jemandem 
dieses zu sagen, bis du die Herrlichkeit Gottes siehst." Am 
nächsten Tage aber hörte derselbe Diakon zu dreimalen, als er 
dem Fange von Habichten nachging, vom Berge herab die Teufel 
mit Geschrei fragen, ob Gallus noch in der Wildnis wäre oder 
sich fortbegeben hätte. Nach mehreren Tagen gingen sie fort, 
und Gallus besuchte unter Danksagungen den Priester von 
Arbona; dieser nahm ihn mit Freuden auf und gewährte ihm 
jedwede Aufwartung; sie lobten Christus und setzten sich zum 
Essen nieder, wobei der Reisegefährte unter anderen Äußerungen 
des Frohsinns sagte: „Wenn ein Bär hier wäre, hätte ihm 
Gallus vielleicht den Segen gereicht." Als der Priester nach 
dem Anlaß dieser Worte fragte, wurde von jenem die Sache 
erzählt, wie sie sich zugetragen. Seitdem ward Gallus von 
ihnen wie einer von den alten Vätern angesehen, denn sein 
Leben war hart und von großer Strenge durchdrungen. 
Eines Tages ereignete es sich, als Gallus mit den Brüdern 
und dem Volke an dem Vethause (nachmals Sankt Gallen ge¬ 
nannt) arbeitete, daß ein Balken die Gegenwand nicht erreichte 
und um vier Handbreiten zu kurz erschien, so daß die Zimmer¬ 
leute ihn fortwerfen wollten. Der Mann Gottes aber sprach 
im Vertrauen auf die göttliche Hilfe: „Stehet ein wenig von 
eurer Arbeit ab und stärkt eure Körper durch die angerichteten 
Speisen." Für eine Weile also stellten sie die Arbeit ein und 
gehorchten den Befehlen des Erwählten Gottes. Da gingen 
alle einträchtig ins Haus und nahmen Speisen unter Dank¬ 
sagung zu sich. Nachdem das Mahl mit Gott beendet war, 
kehrten sie voll Eifer ans Werk zurück und fanden den er-
	        
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