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eben diese Maßregeln oftmals durch Gottes drohende Hand größeres
Verderben, als man durch sie zu verhüten beabsichtigte. Der Herzog
indes bat, da er sich in die Enge getrieben sah, den Herrn Kaiser um
die Erlaubnis, unter kaiserlichem Geleite nach Luneburg kommen zu
dürfen, weil er hoffte, bei demselben auf irgendeine Weise Erbarmen
zu finden. Als er nun mit dem Geleite zwischen Herteneburg und
Bardewich war, kam ihm eine Menge Ritter aus dem Lager des
Kaisers entgegen und begrüßte ihn friedlich. Nachdem er ihren
Gruß erwidert hatte, sprach er: „Ich war sonst nicht gewohnt, hier
zu Lande von irgend jemandem Geleit zu empfangen, sondern viel¬
mehr es andern zu gewähren." So kam er nach Luneburg und be¬
mühte sich durch Unterhändler, den Kaiser auf alle Weise zu besänf¬
tigen. Auch seine Gefangenen, den Landgrafen Lodewich und dessen
Bruder, den Pfalzgrafen Hermann, entließ er aus der Haft, in der
Hoffnung, durch solche Taten der Güte einige Gnade zu erlangen;
allein er erreichte nichts. Der Kaiser jedoch brach von da auf und
setzte ihm einen Hoftag zu Quidelingenburg an, damit daselbst mit
den Fürsten der Gerechtigkeit gemäß beschlossen würde, was mit ihm
geschehen solle. Darüber freuten sich alle Freunde des Herzogs,
weil sie erwarteten, daß dort etwas Günstiges über ihn verfügt werden
könnte. Als aber daselbst wegen eines Streites, welcher zwischen
ihm und seinem Nebenbuhler, dem Herzog Bernhard, entstand, seine
Sache nicht vorgenommen war, wurde ihm ein anderer Hoftag zu
Erpisford anberaumt.
Damals bekam Erzbischof Sifrid von Bremen Stade samt allen
den anderen Besitzungen, welche der Herzog bisher vermöge seines
Lehnsverhältnisses zur Bremer Kirche besessen hatte, vollständig
wieder. Jedoch zahlte er dem Erzbischof Philipp von Köln, den er
gebeten hatte, mit Heeresmacht zu kommen und Stade zu erobern,
600 Mark Silbers. Obwohl also dieser auf sein Gesuch gekommen
war, so hatte jener doch nicht durch ihn, sondern durch Vergünstigung
des Kaisers die Burg erhalten; nichtsdestoweniger forderte jener die
versprochene Summe Geldes. Auch Graf Bernhard und Graf Adolf
erhielten ihre Burgen und Lande vom Kaiser zurück.
Der Herzog nun erschien an dem ihm anberaumten Gerichts¬
tage und warf sich dem Kaiser zu Füßen, indem er sich völlig der
Gnade desselben überlieferte. Dieser hob ihn vom Boden auf und
küßte ihn und beklagte es mit Tränen in den Augen, daß ihre Un¬
einigkeit so lange gewährt und er selbst sich seinen Sturz zugezogen
habe. Ob aber diese Tränen aufrichtig gemeint waren, steht zu
bezweifeln: er scheint kein aufrichtiges Mitleid mit dem Herzoge
empfunden zu haben, da er ihn nicht wieder in seine frühere ehren¬
volle Stellung zu bringen versuchte. Freilich konnte er das für den