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aus ihren Höhlen zu treten. „Bube", donnerte er dem
Bruder entgegen, „Du scheust Dich nicht, bei meiner
Heimkehr mich so zu empfangen und mich ohne Grund
zu beleidigen? Heraus mit dem Degen — ich will es
Dir beweisen, daß ich stark genug bin, meine Ehre zu
verteidigen!"
Sein Hand zuckte nach dem Degen; Magnus aber
schob den Wütenden zur Seite und sagte kalt: „Mit
Kindern und mit Krüppeln zu kämpfen verbietet mir
meine ritterliche Ehre". Doch kaum hatte er diese Worte
gesagt, als Julius ihn schon an der Brust gefaßt hatte.
„Elender", zischte er, „Du willst mir nicht mit dem
Degen in der Faust Genugthuung geben und fügst nur
Beleidigung auf Beleidigung? Nun wohl, so zwinge ich
Dich zum Faustkampf!" Der Angriff geschah so plötzlich,
daß Magnus sich dessen nicht versah, er geriet ins
Wanken, und schwer fiel er zu Boden, den Bruder mit
sich niederreißend. Dort lagen sie nun ringend auf dem
Teppich; Julius hatte mit eisernem Griff den Hals des
Bruders umklammert und drohte mit fast übermenschlicher
Kraft ihn zu ersticken. Da ging eine Thür auf und
Herzog Heinrich stand vor seinen Söhnen.
Als Julius ihn sah, ließ er sofort von seinem Bruder
ab und wandte sich dem Vater zu. „Verzeihung, lieber
Vater", sagte er, „daß Ihr also mich hier antreffet. Aber
ich konnte nicht anders. Bei meinem Eintritt in das
Schloß wurde ich von diesem meinem Bruder mit
Schmähungen und Beleidigungen empfangen. Das trieb
mir die Galle ins Blut, und weil er sich weigerte, mir
mit dem Degen Genugthuung zu gewähren, so blieb mir
keine andere Wahl, als mit der Faust mich seiner zu er¬
wehren. Ich hoffe, Magnus hat gemerkt, daß Julius
ebenfalls Kraft in seinen Armen hat."
Magnus war gleichfalls aufgesprungen und stand,
noch schnaufend vor Anstrengung, gegen die Wand ge«
lehnt und maß seinen Bruder mit feindseligen Blicken;
das Auge des Herzogs aber ruhte mit durchdringender
Schärfe auf Julius. „Du führst Dich wacker ein hier