Full text: Der Abt von Amelunxborn (Bd. 1)

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aus ihren Höhlen zu treten. „Bube", donnerte er dem 
Bruder entgegen, „Du scheust Dich nicht, bei meiner 
Heimkehr mich so zu empfangen und mich ohne Grund 
zu beleidigen? Heraus mit dem Degen — ich will es 
Dir beweisen, daß ich stark genug bin, meine Ehre zu 
verteidigen!" 
Sein Hand zuckte nach dem Degen; Magnus aber 
schob den Wütenden zur Seite und sagte kalt: „Mit 
Kindern und mit Krüppeln zu kämpfen verbietet mir 
meine ritterliche Ehre". Doch kaum hatte er diese Worte 
gesagt, als Julius ihn schon an der Brust gefaßt hatte. 
„Elender", zischte er, „Du willst mir nicht mit dem 
Degen in der Faust Genugthuung geben und fügst nur 
Beleidigung auf Beleidigung? Nun wohl, so zwinge ich 
Dich zum Faustkampf!" Der Angriff geschah so plötzlich, 
daß Magnus sich dessen nicht versah, er geriet ins 
Wanken, und schwer fiel er zu Boden, den Bruder mit 
sich niederreißend. Dort lagen sie nun ringend auf dem 
Teppich; Julius hatte mit eisernem Griff den Hals des 
Bruders umklammert und drohte mit fast übermenschlicher 
Kraft ihn zu ersticken. Da ging eine Thür auf und 
Herzog Heinrich stand vor seinen Söhnen. 
Als Julius ihn sah, ließ er sofort von seinem Bruder 
ab und wandte sich dem Vater zu. „Verzeihung, lieber 
Vater", sagte er, „daß Ihr also mich hier antreffet. Aber 
ich konnte nicht anders. Bei meinem Eintritt in das 
Schloß wurde ich von diesem meinem Bruder mit 
Schmähungen und Beleidigungen empfangen. Das trieb 
mir die Galle ins Blut, und weil er sich weigerte, mir 
mit dem Degen Genugthuung zu gewähren, so blieb mir 
keine andere Wahl, als mit der Faust mich seiner zu er¬ 
wehren. Ich hoffe, Magnus hat gemerkt, daß Julius 
ebenfalls Kraft in seinen Armen hat." 
Magnus war gleichfalls aufgesprungen und stand, 
noch schnaufend vor Anstrengung, gegen die Wand ge« 
lehnt und maß seinen Bruder mit feindseligen Blicken; 
das Auge des Herzogs aber ruhte mit durchdringender 
Schärfe auf Julius. „Du führst Dich wacker ein hier
	        
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