Full text: Der Abt von Amelunxborn (Bd. 1)

— 100 — 
wie es mein Schwager Johann von Küstrin ist. Ich bin 
lutherisch, ich habe es erkannt, daß die alte Kirche ein 
Reich von dieser Welt, ein antichristliches Reich ist. Und 
nun macht mit mir, was Ihr wollt. Gebt Eurem Lande, 
gebt dem deutschen Reiche das Schauspiel, daß im Lande 
der Welfen, wo bislang, zu den Zeiten der Väter, die 
Freiheit eine Stätte hatte, ein Herzog seinen eigenen 
Sohn wie einen Ketzer verurteilen läßt; aber gebt Euch 
nicht der eiteln Hoffnung hin, mich wankend zu machen 
in meinem Glauben!" 
Wie vernichtet sank der Herzog auf einen Sessel bei 
diesen Worten seines Sohnes. Er hatte es ja geahnt, 
daß dieses der wahre Grund der Abneigung gegen seine 
Pläne war; aber dieses unumwundene Bekenntnis aus 
dem eigenen Munde seines Sohnes traf ihn dennoch wie 
ein Donnerschlag. Also alle seine Strenge, seine Wach¬ 
samkeit war vergeblich gewesen, sogar bis in sein Haus, 
in seine Familie war die Ketzerei gedrungen! O das 
war eine entsetzliche Entdeckung für ihn, der mit allen 
Fasern an der alten Kirche hing. Er bedeckte die Augen 
mit der Hand; gewaltig arbeitete es in seiner Brust. 
Was sollte er thun? Sollte er die Strenge, die er 
bisher gegen die offenbaren Ketzer und Abtrünnigen 
angewendet hatte, jetzt auch anwenden gegen den eigenen 
Sohn? Er liebte ihn zwar nicht — aber er war doch 
sein Sohn, sein eigen Fleisch und Blut. Und was sagten 
die Reichssürsten, was sagte der Kaiser dazu, wenn er 
zum Aeußersten schritt? Doch nur kurz war der Kampf, 
den er kämpfte. War er nicht Herr in seinem Lande, 
konnte er nicht thun und lassen, was er wollte? Julius 
sollte es fühlen, daß es nicht wohlgethan war, ihm, dem 
Herzog, zu trotzen. Stellte er sich ihm entgegen — wohl, 
so mußte er fallen! 
Nachdem er diesen Entschluß gefaßt hatte, stand er 
auf, näherte sich dem Glockenzuge und klingelte. Alsbald 
öffnete sich eine Thür, und mit tiefer Verbeugung 
trat ein Diener herein, sich nach dem Befehle des Herrn 
erkundigend.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.