Full text: Der Abt von Amelunxborn (Bd. 1)

— 177 — 
des jungen Paares, und mehr und mehr festigte sich das 
Band der Freundschaft unter den Brüdern. 
Noch vollkommener jedoch wurde das Glück des Prin¬ 
zen und der Prinzessin, als ihnen nach vierjähriger kinder¬ 
loser Ehe ein Sohn geboren wurde, der nach dem Gro߬ 
vater und Vater in der Taufe den Namen Heinrich 
Julius erhielt. Als die Kunde von diesem frohen Ereig¬ 
nis nach Wolfenbüttel kam, machte sich der Herzog selbst 
auf, um den neugeborenen Enkel zu begrüßen. Ganz 
unerwartet traf er in Hessen ein und begab sich alsbald 
unangemeldet in das Gemach der Prinzessin Hedwig, die 
nicht wenig über diesen Besuch erstaunt war. „Wo hefte 
Dien Krabbe?" fragte der Herzog in seiner rauhen 
Weise. Aengstlich zeigte Hedwig auf die Wiege. Der 
Herzog trat hinzu, zog die Vorhänge zurück und blickte 
lange nachdenklich in das Gesicht des ruhig schlummern¬ 
den Kindleins. Dann zog er plötzlich seinen Degen und 
berührte damit den Enkel. Mit Herzklopfen hatte die 
Prinzessin dem Thun des Alten zugeschaut; jetzt aber 
stürzte sie sich laut schreiend auf die Wiege; denn sie 
glaubte nicht anders, als daß der grimme Großvater den 
unschuldigen Knaben morden wollte. „Gnade, Erbar¬ 
men!" kreischte sie; „tötet mich, aber laßt mein Kind 
leben!" 
Erstaunt wandte sich der Herzog zu der Prinzessin. 
„Thörin", sagte er, „glaubst Du, ich wollte den jungen 
Prinzen, der ja meines Herzens Freude ist, vor den 
Augen der Mutter morden? O womit habe ich dieses 
Mißtrauen verdient? Nein, zum Ritter will ich ihn schlagen 
schon in der Wiege, denn wahrlich, edles Blut, Welsen» 
blut und Hoheuzollernblut, fließt in seinen Adern. Ist 
er auch der jüngste Ritter meines Hofes — bei Gott, 
der geringste ist er nicht!" 
3n diesem Augenblick trat Julius, dem man die 
Ankunft des Herzogs gemeldet, in das Zimmer. Aus 
des Vaters eigenem Munde hörte er, was geschehen war, 
und es gelang beiden, die noch immer ängstlich zitternde 
Prinzessin zu beruhigen. Der kleine Prinz aber war 
Tiemann, Der Abt von Amelunxborn. 12
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.